Kleinbäuer:innen zahlreich, aber oft benachteiligt

Mit Kalifornien verbinden wir prächtige Strände mit braungebrannten Surfer:innen, majestätische Landschaften wie die der Nationalparks Yosemite oder Sequoia und Hightech- und Innovationszentren. Dennoch, für kleine landwirtschaftliche Betriebe ist es im Golden State – dem goldenen Staat, nicht so goldig. Sie sind in vielerlei Hinsicht benachteiligt.    

Die Chetwyn Farm umfasst 4 Hektaren und steht im Gegensatz zur grossräumigen, industriellen Landwirtschaft, welche in den USA propagiert wird. Foto: L. Flückiger und A. Berger

In den USA befindet sich heute die meist technisierte und exportorientierte Landwirtschaft der Welt. Sie nimmt ihren Ursprung in der Kolonialisierung Nordamerikas, als durch massive Massaker an der indigenen Bevölkerung eine europäische Landwirtschaft verbreitet wurde. Diese Landwirtschaft wurde durch die Einfuhr von afrikanischen Sklaven als Arbeitskräfte ermöglicht und intensiviert. Bereits die amerikanischen Ureinwohner:innen hatten Mais und kleine Gerste (Hordeum pusillum), Obst und Gemüse kultiviert, hatten das Land allerdings auf eine grundsätzlich andere Art und Weise genutzt.

Nach dem Sezessionskrieg im 19. Jahrhundert ergriffen aus Europa stammende  Millionen Hektar Land und ruinierten kleinere Bauernbetriebe und Viehzüchter:innen, unter anderem durch die systematische Unterdrückung von Afroamerikaner:innen. Nach dem Ersten Weltkrieg entstand durch Überproduktion eine Verarmungskrise der Bäuer:innen, die 1933 zum Erlass des Agriculture Adjustment Act führte. Dieser zielte darauf ab, die Produktion zu reduzieren (oder Reserven zu zerstören), um die Preise zu steigern. Seitdem wird alle fünf bis sechs Jahre das wichtigste Instrument der Agrarpolitik, die Farm Bill, verabschiedet. Sie ist ein Paket von Gesetzesvorlagen, das die Lebensgrundlagen der Bäuer:innen und die Art der angebauten Lebensmittel erheblich beeinflusst.

Was sind kleinbäuerliche Betriebe in den USA? Das US-Landwirtschaftsministerium definiert einen landwirtschaftlichen Betrieb, eine farm, anhand der steuerlichen Situation. Als farm gilt ein Betrieb, der im Laufe eines Jahres 1.000 Dollar oder mehr an landwirtschaftlichen Erzeugnissen produziert und verkauft. Ein kleiner Betrieb verkauft weniger als 350.000 Dollar pro Jahr. Eine breitere Vorstellung von kleinbäuerlichen Betrieben wird von verschiedenen Akteuren verwendet, die sich für eine vielfältige, kleinstrukturierte und widerstandsfähigere Landwirtschaft engagieren.

 

Die kalifornische Landwirtschaft

In Kalifornien gab es zur Zeit der Kolonialisierung grosse fruchtbare Flächen und ein mildes Klima, was sich hervorragend für den Anbau von Weizen eignete. Schon Mitte des 19. Jahrhunderts wurde die kalifornische Landwirtschaft mechanisiert, um Arbeitskräfte zu sparen. Bald führten umfangreiche Monokulturen, fehlende Fruchtfolge, tiefer Bodenbearbeitung allerdings zu Ertragsrückgängen. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts begann in Kalifornien der Obstanbau. Dieser war intensiver und kleinräumiger – die Betriebsgrösse ging von fast 200 Hektar (1869) auf etwa 90 Hektar (1929) zurück. Diese Intensivierung ging mit einer Ausweitung der Bewässerung einher.

Die kleinen Bauernhöfe mit weniger als 20 Hektaren bewirtschaften zwei Drittel der landwirtschaftlichen Fläche in den Vereinigten Staaten. Sie stehen oft vor strukturellen Problemen und zunehmender Verschuldung.

Die wichtigsten landwirtschaftlichen Produkte in Kalifornien sind heutzutage Futtermittel, Mandeln, Gemüse, Weintrauben und Reis. Obst, Beeren und Nüsse machen den grössten Anteil am Gesamtwert der verkauften landwirtschaftlichen Produkte aus (44 %), gefolgt von Gemüse (18 %) und Kuhmilch (14 %). Obwohl nur 4 % der US-amerikanischen, landwirtschaftlichen Betriebe in Kalifornien liegen, produziert der Bundesstaat die Hälfte aller Früchte, Gemüse und Nüsse und produziert damit 17 % der landwirtschaftlichen Exporte der USA, gemessen am Wert der Güter. Fast die Hälfte der landwirtschaftlichen Arbeitskräfte der USA lebt in Kalifornien. Schätzungsweise sind zwischen 55 % und 75 % der Arbeitskräfte illegal und leben unter sehr prekären Lebens- und Arbeitsbedingungen.

 

Wirtschaftlich erfolgreich, aber zu welchem Preis?

Die intensive Landwirtschaft in Kalifornien hinterlässt Spuren in der Gesellschaft und Spuren in der Umwelt, wie zum Beispiel die schlechteste Luftqualität in den USA im San Joaquin Valley. Landwirtschaftliche Böden tragen zu mehr als 50 % der Treibhausgasemissionen des Bundesstaates bei. Die Wasserknappheit ist ein ernsthaftes Problem: Die Landwirtschaft benötigt etwa 40 % des in Kalifornien verwendeten Wassers. Die Oberflächengewässer führen durch den Klimawandel weniger Wasser, was ihre Nutzung für landwirtschaftliche Zwecke einschränkt. Die Übernutzung des Grundwassers hat zu versiegten Brunnen, Bodensenkungen und einer Zunahme der Bodenversalzung geführt. Im Jahr 2014 verabschiedete Kalifornien ein Gesetz, um die Wasserressourcen besser zu verwalten, das Sustainable Groundwater Management Act SGMA. Im Agrarsektor wurde die Effizienz der Wassernutzung verbessert, gleichzeitig werden aber weiterhin noch wasserintensivere Kulturen eingeführt. Die Chancengleichheit beim Zugang zu Wasser ist ein grundlegendes Problem – sowohl für die kalifornische Bevölkerung, von der fast eine Million Menschen keinen Zugang zu sauberem Trinkwasser hat, als auch für Kleinbäuer:innen.

Verteilung der landwirtschaftlichen Betriebe nach ihrer Grösse: Kalifornien in Braun (2017), die Schweiz in Grün (2022). Die durchschnittliche Grösse beträgt 140 ha bzw. 21 ha für alle Betriebe.

Die Anzahl der landwirtschaftlichen Betriebe in Kalifornien nimmt ab, während ihre Grösse zunimmt (um jeweils -20 % und +6 % von 1997 bis 2017). Die durchschnittliche Betriebsgrösse beträgt 140 Hektar, allerdings bewirtschaften vier von fünf Betrieben weniger als 70 Hektar, und ein Drittel weniger als vier Hektar. Sowohl die verfügbare Infrastruktur als auch die komplexe Gesetzgebung sind auf Betriebe ausgelegt worden, die dem industriellen Massstab entsprechen. Die Vielfalt der kleinen Betriebe wird nicht berücksichtigt. Trotz ihrer grossen Anzahl sind sie politisch schlecht vertreten und in vielerlei Hinsicht benachteiligt.

Der Zugang zu Wasser ist ein Beispiel dafür. Kleine Betriebe benutzen oft gebrauchte Ausstattung und können sich keine effiziente Bewässerungsinfrastruktur leisten. Daher können sie in Trockenjahren aufgrund gesetzlicher Einschränkungen für Grundwasser nicht alle ihre Felder bewirtschaften. Mit dem SGMA will der Staat auch gegen übermässiges Grundwasserabpumpen vorgehen. Dafür werden lokale Interessengruppen zusammengesetzt, um Grundwasserbewirtschaftungspläne zu entwickeln. Kleine Bäuer:innen sind allerdings oft mit ihren täglichen Aufgaben überlastet und haben keine Kapazität, an diesen Treffen teilzunehmen, wo unter anderem festgelegt wird, wem welche Wassermenge zusteht. Die Interessen von Kleinbäuer:innen sind nicht ausreichend vertreten, mit verheerenden Auswirkungen. So ist die aktuelle Bestrebung, die Wassermenge für Bewässerung zu halbieren, für Grossbetriebe von 400 ha (6% der Betriebe) einschneidend, aber für Kleinbetriebe von 4 ha (33% der Betriebe) nicht tragbar und damit ihr Ende.

Viele Kleinbetriebe sind durch finanzielle Einschränkungen dazu gezwungen, auf zugekaufte Inputs zu verzichten und über nachhaltige, landwirtschaftliche Praktiken nachzudenken. So ist die Vorstellung von gesunden Kulturen als Resultat eines gesunden Ökosystems ist bei vielen präsent. Viele Kleinbäuer:innen sind besonders vom Klimawandel und der zerstörerischen Macht der Agrarindustrie betroffen und sich gleichzeitig ihrer Verantwortung gegenüber der zukünftigen Generationen bewusst.

 

  • Dieser Artikel erschien in der Agricultura-Ausgabe 1/2024. Autorin: Anne Berger

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