Klima, Landwirtschaft & Ernährung

Dass wir mitten im menschgemachten Klimawandel stecken, ist wissenschaftlicher Konsens. Wer ihn bereits spürt, sind die Bäuerinnen und Bauern. Sie arbeiten in und mit der Natur und sind von den klimatischen Veränderungen unmittelbar betroffen. Doch die Landwirtschaft ist auch Mitverursacherin des Klimawandels. Ein Siebtel der Treibhausgasemissionen in der Schweiz stammt direkt von der Landwirtschaft. Sie muss deshalb Teil der Lösung sein. Gefragt sind aber nicht Anpassungen in einem ressourcenintensiven System, sondern grundlegende Transformationen auf Produktions- und Konsumseite.Ausgetrocknetes Maisfeld im Kanton Aargau, Sommer 2018.  Foto: Geisser / blick.ch

Die Landwirtschaft ist mit einem Anteil von 36 % an der Gesamtfläche der Schweiz die grösste Flächennutzerin. Davon sind ca. 2/3 Wiesen und Ackerland, 1/3 wird alpwirtschaftlich genutzt. Auf diesen Flächen arbeiten die Bäuerinnen und Bauern direkt an und mit natürlichen Ressourcen wie Boden, Wasser oder Biodiversität, halten Tiere oder bauen Früchte und Gemüse an. Über die produzierten Nahrungsmittel sind sie mit dem Ernährungssystem verbunden. Dies erklärt die zentrale Rolle des Landwirtschaftssektors und seine mehrfachen Herausforderungen im Zusammenhang mit der Klimakrise. Die Landwirtschaft bewegt sich in einem zunehmend unsicheren und klimatisch extremen Umfeld. Gefragt sind Strategien, die einerseits die Resilienz der landwirtschaftlichen Systeme erhöhen, und andererseits die Treibhausgasemissionen minimieren. Ganzheitliche Ansätze wie die Agrarökologie weisen hier den Weg. So zentral die Rolle der Landwirtschaft ist: Soll ein wirklich grundlegender Wandel gelingen, muss das gesamte Ernährungssystem in die Pflicht genommen werden – inkl. Verarbeitung, Handel und Konsum.

14 % der Treibhausgasemissionen in der Schweiz stammen laut Treibhausgasinventar des Bundes direkt von der Landwirtschaft. Auf das Konto der Landwirtschaft fallen v.a. die Emissionen von Methan (CH4) und Lachgas (N2O). So ist der Landwirtschaftssektor für den grössten Teil der gesamten inländischen CH4– (83 %) und N2O-Emissionen (66 %) verantwortlich.

  1. Methan aus der Verdauung der Nutztiere.
  2. Lachgas aus den Böden: Die Zunahme von Lachgas im industriellen Zeitalter geht zu einem grossen Teil auf die Ausbreitung und verstärkte Düngung landwirtschaftlicher Flächen zurück.
  3. Lachgas- und Methanemissionen aus der Lagerung und dem Einsatz von Hofdünger.

Dazu kommen weitere emissionswirksame Prozesse im Zusammenhang mit der landwirtschaftlichen Produktion, die im Inventar nicht direkt der Landwirtschaft zugeordnet werden: CO2-Emissionen aus der Verbrennung fossiler Treib- und Brennstoffe in landwirtschaftlichen Maschinen und Gebäuden, sowie CO2-Emissionen aus den Böden – wobei die Böden auch als Senken eine Bedeutung haben. Nicht im Inventar der Schweiz erscheinen zudem alle Emissionen im Ausland, die bei der Herstellung und dem Transport importierter Produktionsmittel (Futtermittel und Mineraldünger) entstehen.

Agrarbericht 2019: Treibhausgasemissionen aus der Landwirtschaft

BAFU, 2020: Klimawandel in der Schweiz. Indikatoren zu Ursachen, Auswirkungen, Massnahmen.

Seit der Industrialisierung beeinflusst der Mensch über die Nutzung fossiler Energien und die Freisetzung von Treibhausgasen das Klima. In der Schweiz ist die Jahresdurchschnittstemperatur seit 1864 um rund 2°C (Stand 2020) angestiegen, zum grössten Teil in den letzten Jahrzehnten. In der Schweiz war 2018 das wärmste Jahr seit Messbeginn.

Dies bedeutet trockenere Sommer, heftigere Niederschläge, Winter mit weniger Schnee, und mehr Hitzetage. Nebst diesen zunehmenden Extremereignissen kommt es zu schleichenden Veränderungen der Landschaften und Ökosysteme. Gletscher schmelzen, die Vegetationszeiten verschieben sich, die Artenzusammensetzung von Flora und Fauna ändert sich. Diese Veränderungen wiederum haben Einfluss auf die Verfügbarkeit von Ressourcen wie Boden, Luft, Wasser und Biodiversität:

  1. Mit verändertem Niederschlagsverhalten und dem Gletscherschwund ändert sich die Verfügbarkeit von Wasser über das Jahr bei gleichzeitig erhöhter Verdunstungsrate. Der ausgleichende Effekt der Gletscherschmelze im Sommer fällt mehr und mehr weg. Ebenfalls ändern sich Wasserqualität und Grundwasserbildung. Wasser wird zur kostbaren Ressource, da sie einerseits in ihrer effektiven Verfügbarkeit knapper wird, andererseits auf Grund der prognostizierten Zunahme von Hitze und Trockenheit noch mehr nachgefragt werden wird – nicht nur von der Landwirtschaft.
  2. Die wichtigste Auswirkung des Klimawandels auf den Boden ist die Zunahme von Erosion auf Grund häufigerer und intensiverer Niederschläge. Auch werden Veränderungen in der Humuszusammensetzung erwartet, die v.a. Auswirklungen auf die CO2-Speicherung haben dürften.
  3. Für die Biodiversität werden Veränderungen bei den Wachstumsperioden erwartet, Veränderungen der Lebensräumen und damit der Verbreitung von Arten, andererseits Einwandern von neuen Arten, Schädlingen und Krankheiten.

Die Veränderung des Klimas führt allgemein zu einer Verschiebung der Gunsträume für die landwirtschaftliche Produktion und bringt kurzfristig sowohl positive Aspekte als auch negative Auswirkungen. Der Anstieg der Temperatur seit 1950 ging mit einem immer früheren Vegetationsbeginn, einer früheren Blütezeit von Wiesenpflanzen und früheren Heuernteterminen einher. Eine Zeitreihe bei Liestal zeigt, dass die Blüte der Kirschbäume heute rund 14 Tage früher eintritt als im Mittel der Jahre 1961–1990.

Der Temperaturanstieg war auch für die Tierwelt von Bedeutung. Er begünstigte die Entwicklung vieler Schadorganismen, v.a. infolge der milderen Winter. Der Trend hin zu höheren Temperaturen der letzten Jahre wurde von einer ausgeprägten Variabilität der Witterung begleitet. Damit verbunden war ein zwischenzeitlich hohes Risiko von Schäden durch Extremereignisse.

National Center for Climate Services NCCS: Landwirtschaft

National Center for Climate Services NCCS, Schweizer Klimaszenarien CH2018

Agrarbericht 2019: Auswirkungen des Klimawandels auf die Landwirtschaft

Was ein nachhaltiges, klimafreundliches Ernährungssystem ist, ist nicht so einfach zu definieren und auch Aushandlungs- und Ansichtssache. Einig ist man sich über die zwei Grundpfeiler 1) Anpassung an die menschgemachte globale Erwärmung und 2) Reduktion von Treibhausgasemissionen.

Anpassung an die globale Erwärmung (adaptation) hat das Ziel, sich mit den bereits eingetretenen Änderungen des Klimas zu arrangieren und auf zu erwartende Änderungen so einzustellen, dass Schäden so weit wie möglich vermieden werden können oder auch Chancen, wo sie entstehen, genutzt werden. Um die Schweizer Landwirtschaft im Hinblick auf das zunehmend unsichere und klimatisch extremere Umfeld resilienter zu machen, braucht es Anpassungen in folgenden Bereichen:

  1. Erhöhung der Widerstandsfähigkeit durch Diversifizierung, Vielfalt und Multifunktionalität, sowohl innerhalt des Betriebes als auch überbetrieblich und für die gesamte Landwirtschaft.
  2. Robuste, standortangepasste Tiere, Pflanzenarten sowie Pflanzen- und Tiergemeinschaften, sowie ein breiter Mix von Sorten einer Art mit unterschiedlicher Widerstandsfähigkeit gegen Hitze, Trockenheit und Nässe.
  3. Landwirtschaft, die Lebensräume schafft und schützt; Agrarforstsysteme, die Bäume, Sträucher, Ackerbau und Tierhaltung verbinden, sowie andere Mischkulturen haben sich gut bewährt.
  4. Effiziente Bewässerung und Verbesserung der Resilienz gegenüber Trockenheit.
  5. Ressourcenschonende Anbausysteme und -methoden.
  6. Aufklärung, Beratung und Information zu den bevorstehenden Herausforderungen und Handlungsoptionen.

Anpassung an die globale Erwärmung ist nicht unbegrenzt möglich. Es existieren Grenzen, die für manche menschliche und ökologische Systeme bereits bei 1,5 Grad Erderwärmung erreicht werden. Mit einer größeren Temperaturerhöhung sinkt zudem die Anpassungsfähigkeit weiter ab. Dringend notwendig sind deshalb auch Minderungsstrategien. Sie sind Teil des Klimaschutzes, der alle Maßnahmen umfasst, die der globalen Erwärmung entgegenwirken und mögliche Folgen abmildern (mitigation) oder verhindern sollen. Kernelement des Klimaschutzes ist die drastische Verringerung des Ausstoßes von Treibhausgasen.

Die Landwirtschaft in der Schweiz kann und muss den Ausstoss von Treibhausgasen auf ein Minimum reduzieren. Folgende Massnahmen tragen dazu bei:

  1. Schonende und effiziente Nutzung vorhandener resp. erneuerbarer Ressourcen (Substitution fossiler Energieträger).
  2. Vermeidung ressourcenintensiver, bodenunabhängiger Produktionssysteme, wie z.B. Massentierhaltung.
  3. Feed no Food: Bodengebundene, graslandbasierte Landwirtschaft; Nutzung von Flächen für die Tierproduktion, die nicht ackerbaulich genutzt werden können, wie zum Beispiel Graslandflächen an steilen Hanglagen.
  4. Tierbesatz dem lokal verfügbaren Futterangebot und die Tragfähigkeit der Böden anpassen (Kreislaufwirtschaft); Graslandbasierte Wiederkäuerhaltung schneidet wesentlich besser ab als Systeme mit einem hohe Kraftfutteranteil.
  5. Standortangepasste, widerstandsfähige und langlebige Tier- und Pflanzenarten
  6. Sorgfältige Planung der Fruchtfolge und Stickstoffdüngung (Stickstoffeffizienz); Die Fruchtfolgen sollten den natürlichen Produktionsbedingungen (Klima, Topografie, Bodeneigenschaften) des jeweiligen Standorts angepasst werden und hinsichtlich Nährstoff- und Ressourceneffizienz optimiert werden.

Eine nachhaltige Bodennutzung ist ein weiterer Grundpfeiler eines klimafreundlichen Produktionssystems. Mit einer humusschonenden Bodenbewirtschaftung kann die Landwirtschaft sogar zu einer erhöhten Kohlenstoffspeicherung beitragen. Das Ziel: den in der Biomasse verfügbaren Kohlenstoff, der nicht über die Ernte abgeführt wird, in eine möglichst stabile Form bringen, damit er über möglichst lange Zeit im Boden gespeichert wird. Die Anwendung von Pflanzenkohle als Hilfsmittel um die Anreicherung des Bodenkohlenstoffs zu verbessern, wird noch untersucht. Gleichzeitig zu den humusfördernden Aktivitäten müssen die bereits vorhandenen Kohlenstoffreserven im Boden werden. Angesprochen sind hier die Moorböden, die – wenn überhaupt – höchstens extensiv bewirtschaftet werden sollten.

In Kombination mit einer entsprechenden Umstellung des Konsumverhaltens, hin zu einer vermehrt pflanzenbasierten Ernährung und weniger Food Waste, wäre so eine signifikante Reduktion der THG-Emissionen möglich.

Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC) Special Report on Climate Change an Land SRCCL (Sonderbericht über Klimawandel und Landsysteme)

Weltagrarbericht: Anpassung an den Klimawandel

Agrarbericht 2019: Klimafreundliche Produktion