Keyline-Design: Zwei Schweizer Betriebe sammeln Erfahrungen

Der Klimawandel macht Wassermanagement zu einem zentralen Thema. In der Schweiz wird mit dem Keyline-Design noch wenig gearbeitet, aber die Erfahrungen zeigen Wirkung – etwa in Meilen an der Zürcher Goldküste, wo sich die Methode in der Landwirtschaft bereits bewährt.

Vogelperspektive des NaturGut Katzhofs - einer der Höfe in der Schweiz, die Erfahrungen mit Keyline Design sammeln.
Der Katzhof, wie auch der Hof Aebleten, geben ihr Wissen weiter und beteiligen sich am Betriebscoaching-Projekt. Bildquelle: NaturGut Katzhof

Hof Aebleten: Denkmalschutz und Permakultur

Der Hof Aebleten liegt auf einer Geländeterrasse oberhalb von Meilen mit herrlicher Aussicht auf See und Berge. Seit Generationen bewirtschaftet die Familie von Lukas van Puijenbroek das zum denkmalgeschützten Ensemble gehörende Land, heute im Rahmen des Genossenschaftsprojekts «Minga vo Meile». Lukas ist gelernter Biobauer, arbeitet nach den Prinzipien der Permakultur und hat Erfahrungen im Keyline-Design.

Starkregen als Wendepunkt

Die Familie erlebte vor ein paar Jahren einen Starkregen, der Spuren hinterliess: Die Böden waren derart vollgesogen, dass sie kein Wasser mehr aufnehmen konnten. Die Fluten rauschten über die Kulturen hinweg und schwemmten Pflanzen und Boden mit. Um für künftige Extremwetterereignisse gewappnet zu sein, haben die van Puijenbroeks in den letzten Jahren verschiedene Wasserrückhaltemassnahmen umgesetzt. Dazu gehört das erste Agroforstsystem im Keyline-Design der Schweiz, das 2022 auf dem rund einen Kilometer oberhalb des Hofes gelegenen Binzacher entstanden ist.

 

Was ist Keyline-Design?

Die Methode wurde Mitte des letzten Jahrhunderts durch den Australier P. A. Yeomans entwickelt. Dabei werden auf (leicht) abfallenden Flächen entlang der Höhenlinien parallel verlaufende Gräben (swales) ausgehoben. Diese fangen Regenwasser auf und bringen es zur Versickerung, was Erosion verhindert. Zudem wird das Wasser im Hang umverteilt, so dass ein ausgeglichener Wasserhaushalt entsteht. Die Methode ermöglicht die Schaffung nachhaltiger, resilienter Produktionssysteme.

 

Wie das Keyline-Design auf dem Feld aussieht

Optisches Merkmal des Keyline-Designs ist die Streifenform mit den vertikal verlaufenden Gräben, in der Permakultur Swales genannt (s. Infobox oben). Im Meilemer Agroforst wachsen auf vier Meter breiten Wiesenstreifen Bäume in drei verschiedenen Kombinationen: Haselnuss/Eiche, Walnuss/Erle und Mandel/Pekannuss. Zwischen den Wiesen-und Baumreihen liegen Ackerstreifen, die ein Biobauer aus einer Nachbargemeinde bewirtschaftet. Bäume spielen im System eine wichtige Rolle. Einerseits durchdringen sie mit ihren Wurzeln das Erdreich und erleichtern dadurch die Versickerung, andererseits verbessern sie durch Verdunstung sowie als Wind- und Schattenspender das Mikroklima.

Planung: Wissen, woher das Wasser kommt und wohin es fliesst

Die Realisierung eines Keyline-Systems beurteilt Lukas als komplex: Es setze die genaue Analyse des Ortes und eine präzise Planung voraus. Es sei enorm wichtig, zu wissen, woher das Wasser komme und wohin es fliesse. Zudem müsse man das Wasser kontrollieren können. Zu diesem Zweck führt eine vertikale Leitung in 80 cm Tiefe durch alle Gräben, sie leitet bei Bedarf Wasser nach unten in einen Retentionsgraben mit kleinen Becken für Amphibien. Überschüssiges Wasser fliesst in den nahen Waldbach.

Menschengruppe im Keyline-Design-Feld beim Hof Aebleten
Keylines verbessern die Wasserversickerung, verlangsamen den Abfluss von Regenwasser und vermeiden Erosion. Bildquelle: Katharina Nüesch

Ertrag und Biodiversität auf dem gleichen Feld

Der Agroforst ermöglicht, dieselbe Fläche sowohl für die Produktion zu nutzen als auch der Biodiversität Raum zu geben. Im Binzacher erfüllt er die Kriterien «Bäume und Blumenwiese» der Qualitätsstufe 2 (Q2), was Direktzahlungen des Bundes auslöst. Zusätzlich erhält Lukas Vernetzungs-Beiträge. Die Qualitätsstufe 2 in der Landwirtschaft bezeichnet Biodiversitätsförderflächen (BFF), die eine besonders hohe ökologische Qualität oder wertvolle Strukturen für die Artenvielfalt aufweisen.

Kleinstrukturen fördern Vielfalt

Die Wiesenstreifen dürfen erst ab 15. September gemäht werden. «Es ginge maschinell, aber wir sind händisch unterwegs. Die Genossenschafterinnen und Genossenschafter sensen sehr gerne», erzählt Lukas. Abnehmer fürs Heu gibt es bisher keine, daher dienen die Heuhaufen als Kleinstrukturen. In den Haufen leben Mäuse, da ist sich Lukas sicher: «Die Angst vor den Mäusen ist berechtigt, wir haben Frassschäden und Ausfälle – trotz Gittern um die Wurzelballen. Wo es aber Kleinstrukturen und Biodiversität gibt, da ist auch das Hermelin nicht weit.» Lukas sichtet immer mal wieder eines der putzigen Tierchen und effizienten Mäusejäger.

Agroforst im Aufbau: Lernen, anpassen, langfristig profitieren

Ein Kollege hat Lukas gefragt: «Was sollen diese Wiesenstreifen? Das ist doch bestes Ackerland!» Das könne man sich fragen, sagt Lukas. Aber wenn er die Vorteile dieser Methode sehe, dann sei er überzeugt: «Wir brauchen Visionen – wir müssen die Landwirtschaft neu denken!» Natürlich will auch Lukas mit den Kulturen Geld verdienen, aber das schliesse der Einbezug der Biodiversität nicht aus. Der Agroforst wird in zirka zehn Jahren Ertrag abwerfen, dies bei abnehmendem Arbeitsaufwand – aktuell insgesamt 200 Stunden, hauptsächlich für die Baumpflege und fürs Sensen. Noch ist der Agroforst in der Anfangsphase, in der sich auch Fehler zeigen. Lukas hatte beispielsweise unterschätzt, dass Rehe ihren Bast an den Bäumen abschaben und Schaden anrichten. Auch die Dornen der gepflanzten Rosen schrecken sie kaum ab, weshalb er die Bäume nachträglich eingezäunt hat.

Das Dachwasser wird in einem Speicherteich gespeichert und nützt auch der Biodiversität.
Das Wassermanagement auf dem Hof Aebleten ist ganzheitlich gedacht: Von Dachwassergewinnung über Speicherteich und Retentionsgräben bis hin zum Nutzen für die Biodiversität. Bildquelle: Katharina Nüesch

Ökologisch vielfältiges Retentionsbecken als Zwischenspeicher

Zurück auf den Hof. Auch hier sind Massnahmen zum Wasserrückhalt umgesetzt worden. Ein Retentionsbecken dient heute als Zwischenspeicher für das Dachwasser der Scheune (250 m2). Allein durch den im Fallrohr entstehenden Druck überwindet das Wasser 80 Meter zum Retentionsbecken hinauf. Dieses präsentiert sich als hübscher Teich. Hier wachsen Pflanzen wie Binsen, Kuckuckslichtnelken oder Blutweiderich, die mit wechselfeuchten Verhältnissen zurechtkommen, denn das Becken kann durchaus austrocknen. Dann sind die Frösche, die im Frühling Kaulquappen waren, längst in ihren Sommerlebensraum abgewandert – sofern sie nicht von Graureiher oder Storch gefressen worden sind.

Bewässerung der Kulturen

Das Retentionsbecken wurde ganz ohne Folie, nur mit Kalkstabilit abgedichtet – bei diesem Verfahren wird Bodenmaterial mit gebranntem Kalk vermischt und gewalzt. Das Leitungsrohr, das immer mit Wasser gefüllt ist, hat verschiedene Anschlussstellen für Schläuche. Falls erforderlich, können so die normalerweise mit Zisternenwasser versorgten Kulturen bewässert werden. Eine zusätzliche Bewässerung ist aber kaum nötig. Denn auch durch die Gemüse-, Beeren- und Obstkulturen verlaufen zwei Gräben. Sie fangen das Oberflächenwasser auf und geben es an die Pflanzen ab.

 

NaturGut Katzhof, Richenthal

Auch auf dem Katzhof im Luzerner Hinterland prägen heute Keylines das Bild. Markus Schwegler, langjähriges ehemaliges Vorstandsmitglied der Kleinbauern-Vereinigung, hat die Entwicklung auf der Aebleten mitverfolgt – man ist gut befreundet und der Austausch unter Gleichgesinnten zentral. Bei einem Besuch in Meilen lernte er Philipp Gerhardt kennen, erfahrener Spezialist für Keyline-Design. Mit ihm plante er ab 2021 ein System für seinen 15-Hektar- Betrieb mit Getreide, Gemüse und Mutterkühen. Nach zwei Jahren Bauzeit wurde es diesen Frühling fertiggestellt.

Wasserrückhalt und Kapazität

Der neue Wasserrückhalt umfasst 1,5 Kilometer Gräben und hat eine Kapazität von rund 600 Kubikmetern. Bisher wurde das System zweimal auf die Probe gestellt: Die Gräben füllten sich bis zum Rand, übergelaufen ist aber nichts, erinnert sich Markus Schwegler. Für ihn sind das erste Beobachtungen – ein Wasserkreislauf erfordert langfristiges Denken. Und nicht nur ökologisch, auch ökonomisch brauche es neue Denkmuster: «Mit dem Wasserkreislauf kannst du nicht in Quartalsergebnissen denken. Die Perspektive ist viel grösser und braucht eine langfristige Sichtweise.»

Perspektive und Chance

Hat das Thema auch in der konventionellen Landwirtschaft Zukunft? «Wer im Sommer eine braune Wiese hat, macht sich natürlich seine Gedanken.» Grundsätzlich erlebt er eine Offenheit, auch wenn Keylines noch ein Nischenthema seien. Potenzial sieht Markus Schwegler im Projekt Slow Water, das vom Ebenrain- Zentrum für Landwirtschaft, Natur und Ernährung initiiert wurde und über die Labelgrenzen hinaus wahrgenommen werde. «Es müssen nicht unbedingt Keylines sein: Es gibt so viele Möglichkeiten für eine nachhaltigere Landwirtschaft – kleinteilige Kulturen, Artenreichtum, schonende Bodenbearbeitung etc. –, die vordergründig nicht so viel mit dem Wasser zu tun haben, jedoch in ein ganzheitliches System gehören.»

  • Dieser Artikel erschien in der Agricultura-Ausgabe 4/2025. Gastautorin: Katharina Nüesch
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