Agrarpolitik 2030+: Vielfalt und Qualität stärken

Für die künftige Agrarpolitik hat sich die Kleinbauern-Vereinigung drei Schwerpunkte gesetzt: Wir wollen den Strukturwandel mit gezielten Massnahmen bremsen, die eingeschlagene Qualitätsstrategie in der Land- und Ernährungswirtschaft beibehalten und einen informierten Konsum ermöglichen.

Illustration: Christof Stückelberger

Die landwirtschaftliche Strukturerhebung zeigt jedes Jahr von neuem: Die Anzahl der Schweizer Bauernbetriebe sinkt kontinuierlich. 2024 haben 644 Bauernhöfe den Betrieb eingestellt. Während kleine und mittelgrosse Höfe verschwinden, wachsen die verbleibenden Betriebe weiter an. Dieser Strukturwandel dürfte sich aufgrund der demografischen Entwicklung im Landwirtschaftssektor in den nächsten Jahren noch akzentuieren und ist mit diversen Problemen verbunden: Eine industrielle Landwirtschaft mit immer weniger, einseitig spezialisierten Betrieben schafft Abhängigkeiten, einen Verlust der Vielfalt und gefährdet die Versorgungssicherheit. Für eine vielfältige und resiliente Landwirtschaft sind kleine und mittelgrosse Betriebe essenziell. Die aktuelle Agrarpolitik bevorzugt jedoch systematisch grosse Betriebe und ist so die eigentliche Ursache der steten Intensivierung und der Treiber des fortschreitenden Hofsterbens.

Strukturwandel bremsen

Die Kleinbauern-Vereinigung setzt sich dafür ein, dass Direktzahlungsgelder stärker für Vielfalt statt Grösse eingesetzt werden. Im Rahmen der Agrarpolitik 2030+ schlagen wir vor, Direktzahlungen ab einer Beitragssumme von 100’000 Franken pro Betrieb schrittweise degressiv abzustufen. Das Geld, das so eingespart wird, soll in einen Sockelbeitrag fliessen, der für jeden Bauernbetrieb – unabhängig von dessen Grösse – gleich hoch ausfällt. Für kleine und mittlere Betriebe, die wenig Direktzahlungen erhalten, hat dieser Sockelbeitrag eine grosse Wirkung. Um den Einstieg in die Landwirtschaft bzw. den Generationenwechsel zu erleichtern, fordern wir zudem die Anpassung der Starthilfe für Junglandwirtinnen und Junglandwirte an die aktuelle Altersstruktur. Zusammen mit Mitunterzeichnenden aus allen Fraktionen hat Kilian Baumann, Nationalrat und Präsident der Kleinbauern-Vereinigung, in der Sommersession eine Motion eingereicht, die verlangt, die Altersgrenze für den Bezug eines einmaligen zinslosen Darlehens zur Förderung des Erwerbs landwirtschaftlicher Betriebe und Grundstücke von 35 auf 40 Jahre anzuheben.

Qualitätsstrategie beibehalten

Konsumentinnen und Konsumenten haben grosses Vertrauen in die Bäuerinnen und Bauern und ihre Produkte. Dieses Vertrauen ist berechtigt, denn wir haben in der Schweiz hohe Qualitätsstandards bei Lebensmitteln und hohe Anforderungen an die landwirtschaftliche Produktion. Die Landwirtschaft hat in den letzten Jahrzehnten bei der Nachhaltigkeit grosse Fortschritte gemacht. So konnten das Tierwohl kontinuierlich verbessert, der Einsatz von Pflanzenschutzmitteln reduziert und die ökologischen Ausgleichsflächen ausgebaut werden. Diesen Weg gilt es in der Agrarpolitik 2030+ weiterzugehen, um unsere natürlichen Ressourcen wie sauberes Wasser und fruchtbare Böden für die nachfolgenden Generationen zu erhalten. Diese Qualitätsstrategie hebt die Schweizer Land- und Ernährungswirtschaft von anderen Ländern ab und rechtfertigt die grosszügigen Bundesbeiträge für die Landwirtschaftsbetriebe sowie die vergleichsweise hohen Preise für Schweizer Produkte.

Jedoch gibt es Bestrebungen, den Weg dieser Qualitätsstrategie zu verlassen. Diverse Massnahmen, die Teil des inoffiziellen Gegenvorschlages zur Trinkwasser- und Pestizidinitiative waren, wurden bereits wieder aufgehoben (beispielsweise im Bereich der ökologischen Ausgleichsflächen). Im Parlament sind aktuell mehrere Vorstösse hängig, um die Vorschriften zum Tierwohl und zum Gewässerschutz aufzuweichen und die Standards bei der Zulassung von Pflanzenschutzmitteln zu senken. Die Kleinbauern-Vereinigung setzt sich dafür ein, dass die Qualität in der Schweizer Land- und Ernährungswirtschaft hochgehalten und in der Agrarpolitik 2030+ verankert wird.

Informierten Konsum ermöglichen

Konsumentinnen und Konsumenten haben die Wahl, welche Produkte sie kaufen. Für einen informierten Kaufentscheid braucht es jedoch Transparenz zu Inhalt, Herstellungsmethoden oder Herkunft. Mit den neuen Deklarationspflichten für Importprodukte, die seit dem 1. Juli 2025 in Kraft sind und für die sich die Kleinbauern-Vereinigung stark gemacht hat, wurde ein Schritt in diese Richtung gemacht. Neu müssen Fleisch, Eier und Milch gekennzeichnet werden, wenn sie von Tieren stammen, bei denen bestimmte schmerzhafte Eingriffe ohne Betäubung vorgenommen wurden. Stopfleber und Froschschenkel sind neu ebenfalls deklarationspflichtig. Die Kleinbauern-Vereinigung begrüsst die neuen Deklarationspflichten, sieht aber auch Nachbesserungsbedarf: So wäre es konsequent, wenn tierische Erzeugnisse, für die Methoden angewendet werden, die in der Schweiz verboten sind, grundsätzlich nicht in die Schweiz gelangen. Der Bundesrat hat es zudem versäumt, Vorschriften für Schafe und Ziegen sowie für mehrtägige Tiertransporte zu erlassen. Die eingeführten Deklarationspflichten betreffen zudem ausschliesslich tierische Erzeugnisse, pflanzliche Erzeugnisse werden entgegen dem Auftrag des Parlamentes nicht geregelt. Wir fordern, dass der Bundesrat für pflanzliche Erzeugnisse, bei denen Pflanzenschutzmittel zum Einsatz kommen, die in der Schweiz verboten sind, ein Importverbot erlässt. Ebenfalls nicht umgesetzt hat der Bundesrat die vom Parlament geforderte Herkunftsdeklaration.

 

Überblick Agrarpolitik 2030+

Das Parlament hat dem Bundesrat den Auftrag erteilt, die Agrarpolitik und die Ernährungsstrategie im Sinne eines ganzheitlichen Ernährungssystemansatzes weiterzuentwickeln. Dieser umfassende Ansatz schliesst alle Akteurinnen und Akteure der Wertschöpfungskette ein – von den Landwirtinnen und Landwirten über die Verarbeitung und den Detailhandel bis hin zu den Konsumentinnen und Konsumenten. Die künftige Agrarpolitik soll gemäss dem Auftrag des Parlaments insbesondere diese vier Aspekte abdecken:

  • Sicherstellung der Ernährungssicherheit auf Basis einer diversifizierten inländischen Nahrungsmittelproduktion, mindestens auf aktuellem Niveau der Selbstversorgung;
  • Reduktion des ökologischen Fussabdrucks von der landwirtschaftlichen Produktion bis zum Konsum von Lebensmitteln;
  • Verbesserung von wirtschaftlichen und sozialen Perspektiven für die Land- und Ernährungswirtschaft;
  • Vereinfachung des Instrumentariums und Reduktion des administrativen Aufwands.

Der Bundesrat wird die Vorschläge zur künftigen Agrarpolitik voraussichtlich 2026 behandeln und eine Vernehmlassung dazu durchführen. Ab 2027 wird sich dann das Parlament damit beschäftigen. Inkrafttreten soll die Agrarpolitik 2030+ am 1. Januar 2030.

 

  • Dieser Artikel erschien in der Agricultura-Ausgabe 3/2025. Autorin: Carole Gauch

News zum Thema

Agrarpolitik 2030+: Vielfalt und Qualität stärken

Für die künftige Agrarpolitik hat sich die Kleinbauern-Vereinigung drei Schwerpunkte gesetzt: Wir wollen den Strukturwandel mit gezielten Massnahmen bremsen, die eingeschlagene Qualitätsstrategie in der Land- und Ernährungswirtschaft beibehalten und einen…

Bundesrat unterstützt Erhöhung der Altersgrenze für Starthilfe

Zusammen mit Mitunterzeichnenden aus allen Fraktionen hat Kilian Baumann, Nationalrat und Präsident der Kleinbauern-Vereinigung, in der Sommersession der eidgenössischen Räte die Motion 25.3735 zur Anpassung der Starthilfe für Junglandwirtinnen und…

Die Kleinbauern-Vereinigung bekennt sich zu den «Bilateralen III» und lehnt die parlamentarische Initiative Bregy ab

Die Kleinbauern-Vereinigung unterstützt die «Bilateralen III» und die darin vorgesehene Einbindung der Schweiz in das Zulassungssystem für Pflanzenschutzmittel der Europäischen Union. Entsprechend sind wir enttäuscht, dass die Kommission für Wirtschaft…