Landwirtschaftlicher Strukturwandel

Noch immer schliessen jährlich um die 500 Schweizer Bauernhöfe ihre Tore für immer – mehrheitlich kleine und mittlere Betriebe. Die verbleibenden Höfe vergrössern und spezialisieren sich. Wieso verschwinden nach wie vor Höfe, obschon viele junge Berufsleute auf Hofsuche sind? Was hat diese Entwicklung mit der Wachstumslogik zu tun? Und welche Folgen hat dieser landwirtschaftliche Strukturwandel?

Die landwirtschaftliche Strukturerhebung des Bundesamtes für Statistik (BFS) führt es uns jährlich vor Augen: Jedes Jahr schliessen Bauernhöfe ihre Tore für immer. Seit dem Jahr 2000 ist nahezu ein Drittel der Landwirtschaftsbetriebe verschwunden, in den letzten 40 Jahren hat sich die Anzahl Schweizer Bauernbetriebe mehr als halbiert. Dazu kommt, dass über die Hälfte der Betriebsleiter über 50 Jahre alt sind, wovon wiederum die Hälfte sagt, dass sie keinen Betriebsnachfolger haben. Zugleich suchen zahlreiche junge, ausgebildete Landwirtinnen und Landwirte, die keinen Betrieb innerhalb der Familie übernehmen können, jahrelang erfolglos nach Land und Hof.

Gleichzeitig werden die noch verbleibenden Betriebe immer grösser: In den letzten 20 Jahren ist die durchschnittlich pro Betrieb bewirtschaftete Fläche um über 30 % gewachsen. Die Agrarpolitik und die jahrzehntelang propagierte Wachstumslogik führen dazu, dass Bauernhöfe beim Generationenwechsel anstatt in junge Hände übergeben, aufgelöst werden und ihr Land in bestehenden Betrieben verschwindet. Immer grössere und schwerere Traktoren verdrängen Menschen und Hände vom Land. Die Schweizer Landwirtschaft entwickelt sich so – entgegen dem Verfassungsauftrag – weg von einer bäuerlichen hinzu einer industriellen Landwirtschaft. Getreu dem Motto «wachse oder weiche» werden Flächen gehamstert.

Mit dieser Entwicklung zu immer weniger, dafür immer grösseren Betrieben und deren fortschreitenden Spezialisierung nimmt die Resilienz der Land- und Ernährungswirtschaft kontinuierlich ab. Diese Vielfalt ist aber wichtig für die Widerstandsfähigkeit und Krisenresistenz der Schweizer Landwirtschaft und somit unverzichtbar für die langfristige Versorgungssicherheit der Schweiz.

 

Wenn beim Generationenwechsel Höfe aufgelöst werden, «verschwindet» das Land in bestehenden Betrieben. Diese vergrössern laufend ihre Flächen: In den letzten 20 Jahren ist die durchschnittlich pro Betrieb bewirtschaftete Fläche um über 30 % gewachsen. Die kleinen und mittleren Bauernhöfe verschwinden. Wird ein Bauernhof aufgelöst, profitieren allerdings nicht nur benachbarte Grossbetriebe: Auch die Nachkommen der Hofbesitzenden verdienen am Hofsterben. Die Gewinnmaximierung von Hofeigentümern (oft Erbengemeinschaften) und das Hamstern von Land gehen heute auf Kosten von existenzfähigen, kleinen und mittleren Betrieben.

Wer hat Zugang zu Land und wieso? Die Akteure im Erklärvideo «Geschäft mit Bauernhöfen stoppen!» veranschaulichen die Hintergründe des Hofsterbens.

Dem «Bauernhofsterben» steht paradoxerweise eine grosse Nachfrage nach landwirtschaftlichen Betrieben gegenüber. Viele ausgebildete Landwirtinnen und Landwirte, die keinen Hof von ihren Eltern übernehmen können, suchen oft sehr lange nach einem Betrieb.

Woran aber liegt es, dass – obschon für so viele Betriebsleiter die Nachfolge ungeklärt ist und viele ausgebildete Landwirte Höfe suchen – heute selten Höfe ausserfamiliär weitergegeben werden? Die heutigen Rahmenbedingungen sind für innerfamiliäre Hofübernahmen ausgelegt. Hindernisse für die Übergabe ausserhalb der Familie sind gross und vielschichtig:

  1. Das Land an Nachbarbetriebe zu übergeben ist finanziell meist die attraktivste Lösung. Viele bestehende Bauernbetriebe möchten mehr Fläche bewirtschaften. Die Nachfrage nach Land ist gross.
  2. Das Land an die Nachbarn zu verkaufen ist die sozial einfachste und sicherste Lösung und ermöglicht es, im Bauernhaus wohnen zu bleiben. Oft ist auch die Notwenigkeit da, so die eigene Altersvorsorge zu sichern.
  3. Fehlendes Wissen: Ältere Betriebsleiter nehmen häufig an, dass sich niemand finden lässt, der ihren Betrieb übernehmen möchte.

Mit dem im Jahr 2017 angenommenen Gegenvorschlag zur Initiative für Ernährungssicherheit wurde ein ausgewogenes Ernährungskonzept von der Heu- bis zur Essgabel in der Verfassung verankert. Mit der Entwicklung zu immer weniger, dafür immer grösseren Betrieben und deren fortschreitenden Spezialisierung nimmt die Resilienz der Land- und Ernährungswirtschaft jedoch ab. Diese Vielfalt ist aber wichtig für die Widerstandsfähigkeit und Krisenresistenz der Schweizer Landwirtschaft und somit unverzichtbar für die langfristige Versorgungssicherheit der Schweiz.

Welche Art von Landwirtschaft braucht es, um unsere Ernährung langfristig zu sichern? Unser Video erklärt, warum Strukturvielfalt dabei eine entscheidende Rolle spielt.

Kapitalintensive Grossbetriebe fokussieren auf wenige Betriebszweige und nehmen wegen hoher Investitionen grosse finanzielle Risiken auf sich: Solche einseitig spezialisierte Betriebe können Ernteeinbussen und Preisschwankungen kaum abfedern. Damit ist nicht nur ihr privates Betriebseinkommen in Gefahr, sondern langfristig auch unsere regionale Versorgung mit Lebensmitteln.

Kleine und mittlere Bauernbetriebe, die auf mehrere Betriebszweige und auf Konsumentennähe setzen, sind resilienter und deshalb langfristig existenzfähiger – Dies zeigt auch eine Studie der Uni Göttingen zur Bedeutung einer vielfältigen und kleinteiligen Agrarstruktur für die Biodiversität (pdf). Im Gegensatz zu spezialisierten Unternehmen bringen sie Vielfalt in die Regionen, auf den Acker und auf den Teller.

Da immer weniger Betriebsleitende mit einer Hofübergabe innerhalb der Familie rechnen können, ist es wichtig, dass ausserfamiliäre Hofübergaben gefördert werden. Die Ära des «wachse oder weiche» ist vorbei. Nun müssen alle Kräfte gebündelt werden, um langfristig eine vielfältige und bäuerliche Landwirtschaft zu sichern. Denn heute werden die Betriebe von morgen übergeben.

Die Kleinbauern-Vereinigung hat 2014 die «Anlaufstelle für ausserfamiliäre Hofübergabe» lanciert und vermittelt dort seither Hofsuchende an Hofabgebende. 2024 wurde sie mit einem digitalen Hofportal ergänzt. Zudem engagieren wir uns über unsere politische Arbeit für besseren Zugang zu Land und mehr Strukturvielfalt.