Essen ist ein Grundbedürfnis, eine Möglichkeit, qualitativ hochwertige Nahrungsmittel in genügender Menge zu sich zu nehmen – um zu wachsen, denken und träumen. Doch der Zugang zu qualitativ hochwertiger und ausreichender Nahrung für zu viele Menschen in der Schweiz nach wie vor schwierig.

Die Herausforderungen beim Zugang zu guter Nahrung lassen sich in drei Kategorien einteilen: Für Menschen in Armut und/oder prekären Verhältnissen bedeutet essen zu können oft, von einer Auswahl an Produkten abhängig zu sein, die sie über die Lebensmittelverteilungen erhalten. Obwohl diese Spenden als Nothilfe geschätzt werden, ist der Verhandlungsspielraum in Bezug auf die Qualität oder die Auswahl der Produkte gering.
Nicht genug und nicht regelmässig
Für Menschen in unsicheren Situationen ist der Zugang zu guter Ernährung unterschiedlich, je nach finanziellen Möglichkeiten und Strategie, sich durchzuschlagen. So verzichten in schwierigen Situationen viele Eltern auf gutes Essen, um ihren Kindern oder ihren Verwandten Vorrang zu geben. Der Lebensmitteleinkauf in einer unsicheren Situation ist besonders komplex und verursacht Stress, da die Ernährung oft als Anpassungsvariable im Budget dient, während andere Ausgaben wie Miete, Versicherungen, Abonnemente oder Kredite unaufschiebbar sind. Hinzu kommen Herausforderungen, die sich aus dem Zeitmanagement für Einkaufen, Kochen und der Antizipation des zukünftigen Nahrungsmittelbedarfs ergeben. Ebenfalls kommen oft Gesundheitsfragen hinzu, da die meisten Menschen die Gesundheitsbotschaften rund um zu viel Salz, Zucker und Fett zwar sehr gut verstanden haben, zwischen den Botschaften der öffentlichen Gesundheit, der Werbung und all den Empfehlungen von Influencern und bekannten Personalitäten jedoch verloren sind.
Für Menschen mit einem stabilen Einkommen ist es einfacher, sich gut zu ernähren, da qualitativ hochwertige Lebensmittel für alle, die den Preis dafür zahlen können, leicht zugänglich sind. In diesem Fall stellen sich eher Fragen nach dem geschmacklichen Vergnügen, der Geselligkeit oder dem Willen, kohärente Nahrungsmittelauswahlen zu treffen, die mit einem Verständnis der ökologischen Herausforderungen und der gerechten Bezahlung der Erzeuger einhergehen.
Bewusst wagen, weiterzudenken
Um diesen Herausforderungen zu begegnen, wurden von Akteuren aus Vereinen, Kollektiven und Gemeinden verschiedene Projekte lanciert. Einige Initiativen konzentrieren sich auf die Frage des Kaufpreises der Produkte. So ermöglicht beispielsweise in Frankreich der Verein Vrac Gruppen, gemeinsam Qualitätsproduktedirekt von den Erzeugern zum Selbstkostenpreis zu kaufen. In Bristol können Verbraucherinnen Arbeitsstunden auf dem Bauernhof gegen Gemüsekörbe eintauschen. Andere Aktionen konzentrieren sich auf die Verteilung von nicht vermarktbaren Produkten aus den traditionellen Vertriebskanälen, wie die Einrichtung von Gemeinschaftskühlschränken in Stadtvierteln oder die Verwertung von unverkauften Waren auf Märkten, nach dem Vorbild der Free-go oder der Vereinigung La Farce, welche die Verteilung von Lebensmitteln in Form eines kostenlosen Lebensmittelladens für Studierende in Genf koordiniert.
Was diese Lösungen vereint ist der Wille, die besonderen Bedürfnisse dieser verschiedenen Bevölkerungsgruppen anzuerkennen und Lösungen im Bereich der Ernährungsgerechtigkeit zu entwickeln, anstatt zu glauben , dass die derzeitigen öffentlichen Politiken, die allen Menschen die gleichen Rechte gewähren, ausreichen, um strukturelle Ungleichheiten zu überwinden.
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Autorin Gaëlle Bigler Expertin für gerechte Nahrungsmittelsysteme und Gründerin des B.R.E.A.D. Collective |
Quellen: Bild: ZVG; Illustration: MPCA PHOTOS «EQUITY VS EQUALITY» (WWW.FLICKR.COM/PHOTOS/MPCAPHOTOS/31655988501 LICENSE CC BY-NC 2.0)