Lebensmittelhilfe aus lokaler Produktion in Kalifornien

In Kalifornien lebt mehr als jede siebte Person in Ernährungsunsicherheit. Öffentliche und private Initiativen setzen genau hier an: Sie ermöglichen benachteiligten Menschen den Zugang zu frischen Lebensmitteln und stärken gleichzeitig kleine landwirtschaftliche Betriebe vor Ort.

Im Zentrum von San Francisco ist der Heart of the City Farmers’ Market der einzige Ort, an dem Lebensmittel eingekauft werden können.

In der Region rund um die Bucht von San Francisco, Bay Area genannt, leben fast 8 Millionen Menschen. Es ist eine der wohlhabendsten Regionen der Vereinigten Staaten. Und doch hat fast die Hälfte der Einwohnerinnen und Einwohner nur ein niedriges bis sehr niedriges Einkommen. Um allen Kalifornierinnen und Kaliforniern den Zugang zu gesunden und regionalen Lebensmitteln zu ermöglichen, hat das kalifornische Landwirtschafts- und Ernährungsministerium das Office of Farm to Fork, also das «Vom-Hof-zur-Gabel-Büro», eingerichtet. Es arbeitet in seinen Projekten und Initiativen unter anderem mit den lokalen Bauernmärkten zusammen, die eine wichtige Rolle im kalifornischen Ernährungssystem einnehmen.

Ernährungssicherheit für sozial benachteiligte Menschen

Die CalFresh-Fördermassnahme bietet Lebensmittelhilfe für einkommensschwache Personen und Familien in Kalifornien an und bringt gleichzeitig wirtschaftliche Vorteile für die Gemeinden. Die Hilfe wird in Form von Geld auf eine Karte ausbezahlt, die wie eine Bankkarte genutzt werden kann. CalFresh kann weder für Fertiggerichte noch für Non-Food-Produkte wie Tierfutter, Putzmittel oder Vitamine genutzt werden. Über 60-jährige Personen, an einem Handicap leidende Menschen oder Obdachlose können jedoch in gewissen Restaurants Gerichte kaufen. Am Programm teilnehmen können Märkte, Lebensmittelgeschäfte, Erzeugungsgenossenschaften und Onlineseiten mit Hauslieferdienst. Diese müssen jedoch vom Ernährungs- und Landwirtschaftsdepartement zugelassen werden und eine grosse Vielfalt an Grundnahrungsmitteln anbieten.

Das kalifornische Konsortium Market Match, das ebenfalls vom kalifornischen Landwirtschafts- und Ernährungsdepartement mitfinanziert wird, verdoppelt den Betrag der CalFresh-Empfänger in Form von Gutscheinen. Diese können ausschliesslich gegen frisches, unverarbeitetes Obst und Gemüse von bäuerlichen Familienbetrieben, Märkten oder Strassenständen eingelöst werden, womit gleichzeitig das lokale Ernährungssystem gestärkt wird. Neben Obst und Gemüse können die Market Match-Gutscheine auch für Saatgut und Setzlinge genutzt werden. Besonders von Ernährungsunsicherheit betroffen sind Familien mit geringem Einkommen, darunter viele Mütter mit kleinen Kindern. Für sie gibt es ein zusätzliches Programm, das sie nicht nur finanziell unterstützt, sondern auch zeigt, wie frische Nahrungsmittel richtig auswählt, gelagert und zubereitet werden.

«We grow what we sell»

Eingelöst werden können die Lebensmittelgutscheine unter anderem am Heart of the City Farmers’ Market. Seit 1981 ist er zwei Mal in der Woche während des ganzen Jahres im Zentrum von San Francisco zu finden. Dieser Markt umfasst um die 40 Produzentinnen, ist unabhängig, gemeinnützig und durch die Landwirte selbst organisiert. Die Stände haben keinen Schnickschnack und sind oft nur mit dem Namen des Betriebs oder Spruchbändern wie «California Grown», «Certified Organic» oder «Family Farm» gekennzeichnet. Trotzdem ist der Markt gut besucht, denn in den umliegenden Vierteln findet sich kein Supermarkt. «Was uns von anderen Märkten unterscheidet, ist unser Programm für den Zugang zu Lebensmitteln. Das Programm ist mit Abstand das wichtigste in Kalifornien und eines der wichtigsten im ganzen Land», erklärt Marktdirektor Steve Pulliam in Zusammenhang mit Market Match.

Unterstützungsangebote wie CalFresh oder Market Match sind echte Win-Win-Lösungen, denn sie machen Menschen in finanziellen Schwierigkeiten gesunde Lebensmittel verfügbar und fördern gleichzeitig die lokale Landwirtschaft und die Direktvermarktung. Leider sind solche Initiativen vom politischen Willen abhängig. So hat das US-Bundesministerium kürzlich angekündigt, die Finanzierung des Programms Local Food for Schools einzustellen. Mit dieser Fördermassnahme können Schulen in den ganzen USA seit einigen Jahren frische Produkte von kleinen Betrieben beziehen. Die Sistierung bedeutet einen Verlust von über einer Milliarde Dollar für kleine Betriebe, Viehzüchter und Fischer. Ein Rückschlag für das Gemeinwohl.

 

 

Lebensmittelkasse und eine neue Währung in der Schweiz

2023 stimmten 67 % der Stimmbevölkerung des Kantons Genf dafür, das Recht auf Nahrung in der Kantonsverfassung festzuschreiben – ein Novum in der Schweiz. Damit wird das Recht jedes Menschen auf Zugang zu nachhaltig und gerecht produzierter Nahrung, die zudem physiologische, soziale und kulturelle Bedürfnisse erfüllt, gesetzlich verankert. Ein Gesetzesentwurf wird derzeit ausgearbeitet.

Mit Unterstützung der Gemeinden Genf und Meyrin arbeiten mehrere zivilgesellschaftliche Organisationen bereits jetzt am Pilotprojekt für eine Lebensmittelkasse (caisse génevoise de l’alimentation, Calim). In der Gemeinde Meyrin und dem Genfer Quartier Pâquis haben sich zwei Bürgerkomitees geformt, die Ideen diskutieren, wie Lebensmittelläden in die Quartiere zurückgeholt und wie Konsumenten näher an die Produktion gebracht werden können. Eine aus diesem Prozess entstandene Idee ist eine Lebensmittelkasse, die folgendermassen funktioniert: Alle Mitglieder erhalten einen monatlichen Zuschuss für Nahrungsmittel, der etwa die Hälfte eines typischen Nahrungsmittelbudgets in Genf abdeckt. Die Kasse wird aus Beitragszahlungen der Mitglieder finanziert, deren Höhe sich nach verschiedenen Kriterien wie verfügbares Einkommen, Lebensmittelbudget und anderen persönlichen Faktoren richtet. Auf diese Weise würde ein gemeinschaftliches und solidarisches Budget geschaffen. Der Zuschuss aus der Kasse könnte nur in anerkannten lokalen Einrichtungen (z. B. Lebensmittelläden, Märkte, Gemüseabos, Restaurants) ausgegeben werden, die sich an eine Charta halten. Ziel ist die Schaffung eines gerechteren Ernährungssystems vom Feld bis zum Teller, das auch Menschen mit kleinem Budget den Zugang zu gesunder Nahrung ermöglicht.

Eine weitere Initiative in der Westschweiz ist die Schaffung der neuen Regionalwährung Franc Paysan. Der gleichnamige Verein, der diese Währung im September 2024 ins Leben rief, will lokale Kreisläufe für landwirtschaftliche Produkte stärken und die Selbstbestimmtheit im Ernährungssystem zurückerlangen. Die Konsumentinnen, aber auch lokale Unternehmen und Körperschaften unterstützen so die lokalen Produzenten. Gleichzeitig verbessern die Verbraucher ihre Ernährung und verkleinern ihren ökologischen Fussabdruck.

  • Dieser Artikel erschien in der Agricultura-Ausgabe 2/2025. Autorin: Anne Berger

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