Im September werden wir über die Volksinitiative „Für die Zukunft unserer Natur und Landschaft“, kurz Biodiversitätsinitiative abstimmen. Die Initianten fordern nichts geringeres, als dass die nötigen Flächen und finanziellen Mittel für den Erhalt unserer Lebensgrundlagen bereitgestellt werden. Biodiversitätsförderung soll überall stattfinden: in den Städten ebenso wie in den ländlichen Gebieten, im Wald, in Hausgärten und auf den Bauernhöfen. Landwirtschaftsbetriebe haben die Möglichkeit, biodiversitätsfreundlich zu wirtschaften und damit grosse Wirkung zu erzielen, ohne Flächen für die Lebensmittelproduktion zu verlieren. Um den dadurch entstehenden Mehraufwand für die Betriebe abzugelten, braucht es aber die nötige finanzielle Unterstützung durch die öffentliche Hand. Das ist auch im öffentlichen Interesse, denn von einer gepflegten Landschaft und intakten Ökosystemen profitieren wir schliesslich alle.
Im November werden wir dann über den weiteren Ausbau des Schweizer Autobahnnetzes abstimmen. Während im Parlament insbesondere konservative Vertreterinnen und Vertreter bei der Biodiversität noch lautstark den Verlust von wertvoller Fläche für die Lebensmittelproduktion beklagten, sehen dieselben Personen beim Autobahnausbau dieses Problem plötzlich nicht mehr. Bei einer solch argumentativen Verdrehung kann es einem fast schon schwindlig werden. Im Gegensatz zu geschützten oder biodiversitätsfreundlich bewirtschafteten Flächen zerstört der Ausbau von Autobahnen unwiederbringlich wertvolles Kulturland und ist ein Treiber für die Zersiedelung und zusätzlichen Verkehr. Eine weitere Asphaltierung der Schweiz können wir uns nicht mehr leisten.
Dass Mehrverkehr und der Neubau von Strassen angesichts der Klimakrise keine Option sind, liegt eigentlich auf der Hand. Das wurde uns leider diesen Frühling und Sommer wieder deutlich vor Augen geführt. Wetterextreme nehmen aufgrund des Klimawandels zu und sogar solide Bauten haben den Wassermassen nicht standhalten können. Weder aus Sicht des Klimas, noch der Biodiversität und schon gar nicht, wenn wir an unsere damit verbundene Lebensqualität denken, lässt sich ein weiterer Autobahnausbau noch rechtfertigen. Die Stimmbevölkerung wird entscheiden und es ist anzunehmen, dass sich die Mehrheit wieder einmal für mehr Strassen und weniger Biodiversität entscheiden wird – um sich gleich danach wieder über die verbaute Landschaft und die schwindende Natur zu beklagen.
Diese Kolumne von Kilian Baumann ist am 29.07.2024 im Bieler Tagblatt und auf www.ajour.ch erschienen.