Als Mitverursacherin des Klimawandels muss die Landwirtschaft Teil der Lösung sein. Denn die Bäuerinnen und Bauern spüren die sich ändernden klimatischen Voraussetzungen bereits heute. Gefragt sind Transformationen auf Produktions- und Konsumseite, die einerseits die Resilienz der landwirtschaftlichen Systeme erhöhen, die Biodiversität fördern und andererseits die Treibhausgasemissionen minimieren. Die Agrarökologie weist hier einen ganzheitlichen Weg.

Die Landwirtschaft ist mit einem Anteil von 36 % an der Gesamtfläche der Schweiz die grösste Flächennutzerin. Davon sind ca. 2/3 Wiesen und Ackerland, 1/3 wird alpwirtschaftlich genutzt. Auf diesen Flächen arbeiten die Bäuerinnen und Bauern direkt an und mit natürlichen Ressourcen wie Boden, Wasser oder Biodiversität. Über die produzierten Nahrungsmittel sind sie mit dem Ernährungssystem verbunden. Dies erklärt die zentrale Rolle des Landwirtschaftssektors und seine mehrfachen Herausforderungen im Zusammenhang mit der Klima- und Biodiversitätskrise.
Die Landwirtschaft bewegt sich in einem zunehmend unsicheren und klimatisch extremen Umfeld. Gefragt sind Strategien, die einerseits die Resilienz der landwirtschaftlichen Systeme erhöhen, die Biodiversität fördern und andererseits die Treibhausgasemissionen minimieren. Ganzheitliche Ansätze wie die Agrarökologie weisen hier den Weg. So zentral die Rolle der Landwirtschaft ist: Soll ein wirklich grundlegender Wandel gelingen, muss das gesamte Ernährungssystem in die Pflicht genommen werden – inkl. Verarbeitung, Handel und Konsum.
Klimawandel – Teil der Lösung sein
14 % der Treibhausgasemissionen in der Schweiz stammen laut Treibhausgasinventar des Bundes direkt von der Landwirtschaft. Auf das Konto des Landwirtschaftssektors fallen v.a. die Emissionen von Methan (CH4) und Lachgas (N2O). Die Landwirtschaft ist damit Mitverursacher des Klimawandels, insbesondere die industrielle Landwirtschaft.
Landwirtschaft als Mitverursacherin der Erderwärmung
Der Landwirtschaftssektor für den grössten Teil der gesamten inländischen Methan- (83 %) und Lachgas-Emissionen (66 %) verantwortlich.
- Methan aus der Verdauung der Nutztiere.
- Lachgas aus den Böden, v.a. aus der Düngung landwirtschaftlicher Flächen.
- Lachgas- und Methanemissionen aus der Lagerung und dem Einsatz von Hofdünger.
Dazu kommen weitere emissionswirksame Prozesse im Zusammenhang mit der landwirtschaftlichen Produktion, die im Inventar nicht direkt der Landwirtschaft zugeordnet werden: CO2-Emissionen aus der Verbrennung fossiler Treib- und Brennstoffe in landwirtschaftlichen Maschinen und Gebäuden, sowie CO2-Emissionen aus den Böden – wobei die Böden auch als Senken eine Bedeutung haben.
Nicht im Inventar der Schweiz erscheinen zudem alle Emissionen im Ausland, die bei der Herstellung und dem Transport importierter Produktionsmittel (Futtermittel und Mineraldünger) entstehen.
Landwirtschaft als Betroffene des Klimawandels
In der Schweiz ist die Jahresdurchschnittstemperatur seit 1864 um rund 2°C (Stand 2020) angestiegen, zum grössten Teil in den letzten Jahrzehnten.
Das bedeutet trockenere Sommer, heftigere Niederschläge, Winter mit weniger Schnee und mehr Hitzetage. Neben diesen immer häufiger auftretenden Extremereignissen sind auch fortschreitende Veränderungen der Landschaften und Ökosysteme zu beobachten. Gletscher schmelzen, die Vegetationsperiode verschiebt sich und die Artenzusammensetzung von Flora und Fauna verändert sich. Diese Veränderungen haben wiederum Einfluss auf die Verfügbarkeit von Ressourcen wie Boden, Luft, Wasser und Biodiversität.
- Mit verändertem Niederschlagsverhalten und dem Gletscherschwund ändert sich die Verfügbarkeit von Wasser über das Jahr bei gleichzeitig erhöhter Verdunstungsrate. Der ausgleichende Effekt der Gletscherschmelze im Sommer fällt mehr und mehr weg. Ebenfalls ändern sich Wasserqualität und Grundwasserbildung. Wasser wird zur kostbaren Ressource, da sie einerseits in ihrer effektiven Verfügbarkeit knapper wird, andererseits auf Grund der prognostizierten Zunahme von Hitze und Trockenheit noch mehr nachgefragt werden wird – nicht nur von der Landwirtschaft.
- Die wichtigste Auswirkung des Klimawandels auf den Boden ist die Zunahme von Erosion auf Grund häufigerer und intensiverer Niederschläge. Auch werden Veränderungen in der Humuszusammensetzung erwartet, die v.a. Auswirklungen auf die CO2-Speicherung haben dürften.
- Für die Biodiversität werden Veränderungen bei den Wachstumsperioden erwartet, Veränderungen der Lebensräumen und damit der Verbreitung von Arten, andererseits Einwandern von neuen Arten, Schädlingen und Krankheiten.
Die Veränderung des Klimas führt allgemein zu einer Verschiebung der Gunsträume für die landwirtschaftliche Produktion und bringt kurzfristig sowohl positive Aspekte als auch negative Auswirkungen. Der Anstieg der Temperatur seit 1950 ging mit einem immer früheren Vegetationsbeginn, einer früheren Blütezeit von Wiesenpflanzen und früheren Heuernteterminen einher.
Der Temperaturanstieg war auch für die Tierwelt von Bedeutung. Er begünstigte die Entwicklung vieler Schadorganismen, v.a. infolge der milderen Winter. Der Trend hin zu höheren Temperaturen der letzten Jahre wurde von einer ausgeprägten Variabilität der Witterung begleitet. Damit verbunden war ein zwischenzeitlich hohes Risiko von Schäden durch Extremereignisse.
- Agrarbericht 2019: Auswirkungen des Klimawandels auf die Landwirtschaft
- National Center for Climate Services NCCS: Landwirtschaft
Handlungsbereiche und Massnahmen
Was ein nachhaltiges, klimafreundliches Ernährungssystem ist, ist auch Aushandlungs- und Ansichtssache. Einig ist man sich über zwei Grundpfeiler:
Anpassung an die globale Erwärmung hat das Ziel, sich so resilient aufzustellen, um den (bereits eingetretenen) klimatischen Änderungen möglichst gut entgegenzutreten.
- Erhöhung der Widerstandsfähigkeit durch Diversifizierung, Vielfalt und Multifunktionalität, sowohl innerhalt des Betriebes als auch überbetrieblich und für die gesamte Landwirtschaft.
- Robuste, standortangepasste Tiere, Pflanzenarten sowie Pflanzen- und Tiergemeinschaften, sowie ein breiter Mix von Sorten einer Art mit unterschiedlicher Widerstandsfähigkeit gegen Hitze, Trockenheit und Nässe.
- Landwirtschaft, die Lebensräume schafft und schützt; Agroforstsysteme, die Bäume, Sträucher, Ackerbau und Tierhaltung verbinden, sowie andere Mischkulturen haben sich gut bewährt.
- Effiziente Bewässerung und Verbesserung der Resilienz gegenüber Trockenheit.
- Ressourcenschonende Anbausysteme und -methoden.
- Aufklärung, Beratung und Information zu den bevorstehenden Herausforderungen und Handlungsoptionen.
Anpassung an die globale Erwärmung ist nicht unbegrenzt möglich. Für manche menschliche und ökologische Systeme sind die Grenzen bereits bei 1,5 Grad Erderwärmung erreicht. Mit einer größeren Temperaturerhöhung sinkt zudem die Anpassungsfähigkeit weiter ab.
Dringend notwendig sind deshalb auch Minderungsstrategien. Kernelement des Klimaschutzes ist die drastische Verringerung des Ausstoßes von Treibhausgasen.
- Schonende und effiziente Nutzung vorhandener resp. erneuerbarer Ressourcen (Substitution fossiler Energieträger).
- Vermeidung ressourcenintensiver, bodenunabhängiger Produktionssysteme, wie z.B. Massentierhaltung.
- Feed no Food: Bodengebundene, graslandbasierte Landwirtschaft; Nutzung von Flächen für die Tierproduktion, die nicht ackerbaulich genutzt werden können, wie zum Beispiel Graslandflächen an steilen Hanglagen.
- Tierbesatz dem lokal verfügbaren Futterangebot und die Tragfähigkeit der Böden anpassen (Kreislaufwirtschaft); Graslandbasierte Wiederkäuerhaltung schneidet wesentlich besser ab als Systeme mit hohem Kraftfutteranteil.
- Standortangepasste, widerstandsfähige und langlebige Tier- und Pflanzenarten
- Sorgfältige Planung der Fruchtfolge und Stickstoffdüngung (Stickstoffeffizienz); Die Fruchtfolgen sollten den natürlichen Produktionsbedingungen (Klima, Topografie, Bodeneigenschaften) des jeweiligen Standorts angepasst werden und hinsichtlich Nährstoff- und Ressourceneffizienz optimiert werden.
Eine nachhaltige Bodennutzung ist ein weiterer Grundpfeiler eines klimafreundlichen Produktionssystems. Mit einer humusschonenden Bodenbewirtschaftung kann die Landwirtschaft sogar zu einer erhöhten Kohlenstoffspeicherung beitragen. Das Ziel: den in der Biomasse verfügbaren Kohlenstoff, der nicht über die Ernte abgeführt wird, in eine möglichst stabile Form bringen, damit er über möglichst lange Zeit im Boden gespeichert wird. Die Anwendung von Pflanzenkohle als Hilfsmittel um die Anreicherung des Bodenkohlenstoffs zu verbessern, wird noch untersucht. Gleichzeitig zu den humusfördernden Aktivitäten müssen die bereits vorhandenen Kohlenstoffreserven im Boden werden. Angesprochen sind hier die Moorböden, die – wenn überhaupt – höchstens extensiv bewirtschaftet werden sollten.
In Kombination mit einer entsprechenden Umstellung des Konsumverhaltens, hin zu einer vermehrt pflanzenbasierten Ernährung und weniger Food Waste, wäre so eine signifikante Reduktion der THG-Emissionen möglich.
- Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC)
- Special Report on Climate Change an Land SRCCL (Sonderbericht über Klimawandel und Landsysteme)
- Weltagrarbericht: Anpassung an den Klimawandel
- Agrarbericht 2019: Klimafreundliche Produktion
Agrarökologie – Ganzheitlich zum Ziel
Wie machen wir unsere Lebensmittelversorgung krisenresistenter? Offensichtlich ist, dass eine noch intensivere Produktion mit importierten Futtermitteln, Pestiziden und Kunstdüngern der falsche Weg ist. Es ist stattdessen an der Zeit, die Probleme, die das aktuelle Ernährungssystem hervorgebracht hat, ganzheitlich anzugehen.
Die Prinzipien von Agrarökologie
Agrarökologie basiert auf ökologischen, sozialen und kulturellen Werten, die seit jeher in der traditionellen Landwirtschaft verankert sind:
- Erhalt und Förderung der Biodiversität: Vielfalt in Pflanzen, Tieren und Mikroorganismen stärkt die Resilienz von Agrarsystemen.
- Kreislaufwirtschaft und Ressourcenschonung; Nährstoffe, Wasser und Energie werden lokal und effizient genutzt.
- Bodenfruchtbarkeit bewahren: Gesunder Boden ist die Grundlage nachhaltiger Landwirtschaft.
- Anpassung an lokale Gegebenheiten: Agrarökologie richtet sich nach Klima, Kultur und bäuerlichem Wissen vor Ort.
- Soziale Gerechtigkeit und bäuerliche Selbstbestimmung: Kleinbauern, Frauen und indigene Gemeinschaften sollen ihre Produktion eigenständig gestalten können.
- Verkürzte Wertschöpfungsketten: Regionale Märkte und direkter Kontakt zwischen Produzenten und Konsumentinnen stärken lokale Ernährungssysteme.
- Integration von Tradition und Innovation: Altbewährte Methoden werden mit neuen Erkenntnissen kombiniert.
Gemeinsam bilden sie ein Fundament für eine Landwirtschaft, die tragfähig, sozial eingebettet und ökologisch verantwortungsvoll ist.
Agrarökologie in der bäuerlichen Praxis
Agrarökologie versteht sich einerseits als wissenschaftliche Forschung, bei der die Landwirtschaft und das Ernährungssystem möglichst umfassend und breit angeschaut und insbesondere lokale Anbaumethoden oder Ansätze wie die Agroforstwirtschaft einbezogen werden. Andererseits ist Agrarökologie in der landwirtschaftlichen Praxis verankert, im Aufbau gesunder Böden, vielfältiger und widerstandsfähiger Betriebe mit lokaler Verankerung und geschlossenen Kreisläufen. Dabei werden die natürlichen Lebensgrundlagen nicht nur bewahrt, sondern langfristig aufgebaut. Schliesslich geht es bei der Agrarökologie auch um soziale Aspekte. Das Agrar- und Ernährungssystem soll gerecht und nachhaltig sein. Es soll faire Einkommen und gute Arbeitsbedingungen garantieren und kurze Wege zwischen Produzenten und Konsumentinnen ermöglichen.
Artikel aus unserem Magazin zu Agrarökologie in der Praxis:
Weitere Informationen
Klima Allianz Schweiz
Gemeinsam mit über 150 Organisationen engagiert sich die Kleinbauern-Vereinigung in der Klima Allianz Schweiz für Klimagerechtigkeit und den Erhalt unserer Lebensgrundlagen.
Agroecology works!
Die Kleinbauern-Vereinigung ist Mitglied von Agroecology works!, dem Schweizer Netzwerk für Agrarökologie. Die Allianz aus Wissenschaft, Praxis und Gesellschaft ist seit 2019 aktiv.