Die Landwirtschaft neu denken

Regenerative Mosaiklandwirtschaft, so nennt SlowGrow aus Mönchaltdorf (ZH) ihre Anbaumethode. Ihre Kombination von Praxiswissen, Intuition, Kreativität und Innovation ist zukunftsweisend. Und zeigt: Die agrarökologischen Prinzipien lassen sich auch in der Schweiz bestens umsetzen.

Mosaiklandwirtschaft von SlowGrow: Multifunktionalität für ein resilientes Anbausystem. Photo: Kampagnenvideo Prix Climat, 2022
Samuel Bähler, Petrissa Eckle & Matthias Hollenstein

Die Humusschicht ist die Grundlage, um sie dreht sich alles. Denn ohne einen gesunden, belebten Boden geht es langfristig nicht. Davon sind Samuel Bähler, Petrissa Eckle und Matthias Hollenstein, die Köpfe hinter SlowGrow, überzeugt. Ihr Motto: «Nach der Ernte unserer Kulturen ist der Boden in einem besseren Zustand als vor der Saat.» Gleich nach der Humusschicht kommt die Artenvielfalt. Eine Hektare Acker setzt sich bei SlowGrow aus ca. fünfzig verschiedenen Beeten zusammen, auf denen mosaikartig Kulturen von Gemüse, Getreide, Gründüngung, Blühstreifen oder mehrjährige Kulturen wachsen. Das begünstigt die Wechselwirkung zwischen benachbarten Kulturen, ihren Botenstoffen, Mikroorganismen, Pilznetzwerken und Insektenpopulationen. Ökologische Flächen werden nicht von der Ackerfläche getrennt, sondern mit ihr vereint – Biodiversität ist ein entscheidender Produktionsfaktor.

«Unser Land soll künftig sowohl Nahrungsmittel produzieren als auch Trinkwasser schützen, die Biodiversität fördern und ein schönes Landschaftsbild ergeben», erklärt Matthias, der die Ausbildung zum biodynamischen Landwirt hat. Alles fliesst ineinander auf den ca. 20 Hektaren, die in seiner Obhut sind: Multifunktionalität für ein resilientes Anbausystem. Der Mensch wird dabei mitgedacht: Die Arbeit auf dem Feld soll Freude machen. Die Lehrlinge nehmen beim innovativen Mitwirken auf dem Hof eine wichtige Rolle ein. Auch die vielen Helferinnen, die ihre Zeit gegen Gemüse tauschen und auf dem Feld mithelfen, leisten ihren Beitrag zu diesem Experiment. Dasselbe gilt für die Köche, die von Anfang an Interesse an den Produkten von SlowGrow hatten und damit den Absatz sicherten. Zusammen erhalten und steigern sie Bodenfruchtbarkeit und Biodiversität für künftige Generationen.

Neue Kulturen werden im SlowGrow-Versuchsgarten getestet, die Erkenntnisse im HofLabor zu skalierbaren Methoden weiterentwickelt. Photo: Kampagnenevideo Prix Climat, 2022

Von allem das Beste

SlowGrow kombiniert frisch und unvoreingenommen, was sie für ihren Betrieb benötigen. Aus verschiedenen Landbaumethoden wird das Beste zusammengetragen: Mit einem Mix aus Permakultur, biologischer sowie regenerativer Landwirtschaft, aber auch ganz neuen Ansätzen, wird ein neues Landbausystem kreiert – mit vielfältigem Mulcheinsatz, flacher Bodenbearbeitung und Tiefenlockerung, bis hin zu No-Till Gemüsebau, Beetmischkulturen, alles fast gänzlich ohne Bewässerung und ohne leichtlösliche Düngerformen. Auch der Einsatz moderner Technik ist für sie selbstverständlich. Sie haben die Flächen mit Geoinformationsdaten geplant und eingeteilt. Der GPS-gesteuerte Traktor fährt bis zu zwei Zentimeter genau auf den fixen Fahrspuren. Die Beete sind die unbefahrenen Bereiche zwischen der Traktorbereifung.

In Zukunft möchten sie eine Software haben, die hilft, die Abläufe zu optimieren, Mischkulturen zu bestimmen, und die Arbeit zu organisieren. Diese zu entwickeln ist die Aufgabe des HofLabors: Eine Innovationsplattform, um die Vision zusammen mit einem wachsenden Netzwerk aus anderen Landwirtinnen und Unternehmen voranzutreiben. Um die vielen verschiedenen Kulturen ideal zu planen, arbeiten Petrissa und Matthias an der Digitalisierung der Mosaiklandschaft. So soll das Projekt skalierbar werden, um auch grosse Landflächen ökologisch bewirtschaften zu können. «Wir arbeiten an einem Management-Tool. Denn die Komplexität dieses Systems ist so hoch, dass man es mit Digitalisierung unterstützen muss», erklärt Petrissa.

Die Innovation zurückholen

Dass sie den Prix Climat 2022 gewonnen haben, ist eine Anerkennung ihrer Pionierarbeit. Doch die war und ist nicht nur einfach. Mit viel Glück haben sie Land und eine Scheune gefunden, jedoch ohne Wohnhaus und Gewerbestatus. Doch für die Entwicklung und Umsetzung ihrer visionären Projekte ist die jetzige Pachtsituation zu unsicher. Sie suchen immer noch einen Hof zum Übernehmen. Die mediale Aufmerksamkeit, die sie erfahren, sehen sie auch kritisch. Zwar freut es sie, wenn über ihren Ansatz gesprochen wird oder Kolleginnen um Rat fragen. Doch die zeitlichen Kapazitäten sind begrenzt, und schon länger können nicht mehr alle Anfragen beantwortet werden. «Aktuell gehen Fördergelder für Innovation in der Landwirtschaft nicht zu den innovativen Bauern», sagt Matthias. Er wünscht sich, dass sich dies ändert. Denn dort würde es gebraucht. In den letzten acht Jahren hat SlowGrow jeweils etwa einen Drittel des Aufwands in die Forschung und Entwicklung gesteckt.

«Mit dem Projekt HofLabor haben wir es nun geschafft, einen Teil der Kosten mit Stiftungsgeldern zu decken und kommen jetzt deutlich schneller voran mit unseren Entwicklungen», sagt Matthias, und ergänzt: «Wir Bauern müssen lernen, wieder selbst zu Lösungen zu kommen.» SlowGrow macht vor, wie das geht.

 

Dieser Artikel erschien in der Agricultura-Ausgabe 2/2022. Autorin: Annemarie Raemy

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