Sowohl für die Biodiversität als auch für die landwirtschaftliche Produktion sind die Wild- und Honigbienen von elementarer Bedeutung. Doch die bestäubenden Insekten sind unter Druck. Die Artenvielfalt und die Bestände der Wildbienen gehen zurück und auch die Honigbienen haben mit diversen Problemen zu kämpfen.
Stephan Tschirren betreibt eine Imkerei mit rund 30 Wirtschaftsvölkern in der Nähe von Bern. |
Die Zahlen sprechen für sich: Ungefähr 80 % der bei uns einheimischen Blütenpflanzen werden durch Insekten bestäubt. Damit sichern diese die Fortpflanzung und die genetische Vielfalt vieler Pflanzen. Sie spielen eine wichtige Rolle bei der Förderung einer vielfältigen und resilienten Umwelt. Auch für die menschliche Ernährung ist die Bedeutung nicht zu unterschätzen: Zwar sind die wichtigsten Nahrungspflanzen wie Weizen, Reis und Mais Windbestäuber und damit nicht auf die Leistung bestäubender Insekten angewiesen. Obst, Beeren und Gemüse hingegen brauchen Insekten zur Bestäubung.
Bestäubungsleistungen von grossem Wert
Zudem gibt es wirtschaftlich gute Gründe, den Bienen und ihrem Schutz mehr Aufmerksamkeit zu schenken: Allein im Obstbau und bei Beerenkulturen wird der Wert der Bestäubungsleistung auf jährlich 271 Millionen Franken geschätzt. Der Anteil für den Ackerbau und die Saatgutproduktion ist dabei noch nicht einmal miteingerechnet. Der Wert der Imkereiprodukte macht demgegenüber einen wesentlich kleineren Teil aus. In einem Factsheet der Akademie der Naturwissenschaften Schweiz (SCNAT) von 2014 wird zudem betont, dass einerseits die Bestäubung von Wildpflanzen in dieser Rechnung nicht einbezogen sei, und andererseits die Leistung von Wildbestäubern stark unterschätzt werde. Gerade in diesem Bereich zeigt sich die Bedeutung der bestäubenden Insekten für die Biodiversität und es wird deutlich, dass sie weit über die reine Bestäubungsleistung hinausgeht. So trägt sie zum Beispiel zur genetischen Vielfalt bei und sichert die Existenz der Tiere, die ihrerseits auf Samen und Früchte als Nahrung angewiesen sind.
Honigbienen und Wildbienen gleichermassen betroffen
Die Bedrohung der Insekten zeigt sich zum Beispiel an den Winterverlusten bei den Honigbienen. In den letzten 20 Jahren hat die Anzahl Völker bei den Honigbienen stark abgenommen. Die Winterverluste betrugen in den letzten Jahren in der Schweiz um die 15 %, noch bis im Jahr 2000 lagen diese häufig unter 10 %. Das Zentrum für Bienenforschung von Agroscope benennt einerseits die Varroamilbe als eine wichtige Ursache für diesen An stieg, verweist aber auch auf weitere Faktoren, wie zum Beispiel die Nahrungsmittelknappheit: Alle Bienenarten brauchen für ihre Entwicklung ein vielfältiges und kontinuierliches Nahrungsangebot.
Gerade in den Sommermonaten fehlt diese Blütenvielfalt in vielen Regionen. Um die Situation zu verbessern, hat Bienen Schweiz mit immobienen.ch eine Onlineplattform für bienenfreundlichen Lebensraum lanciert. Rund eine halbe Million Quadratmeter Blühflächen warten nun auf Patinnen und Paten, die das grosse Aufblühen finanziell unterstützen. Noch dramatischer zeigt sich die Situation bei den Wildbienen: Bereits 1994 waren 45 % der 600 Wildbienenarten gefährdet. Obwohl seither eine Stabilisierung erreicht werden konnte, bewegen sich die Bestände nach wie vor auf einem sehr tiefen Niveau, wobei eine verlässliche Bestandserhebung der Wildbienen schwierig zu erreichen ist.
Gründe für den Bestäuber-Rückgang
Die Ursachen für den Rückgang der Bestäuber sind komplex und bedingen sich gegenseitig. Während für die Völkerverluste bei den Honigbienen die Schwächung durch Parasiten (insbesondere der Varroamilbe), fehlende genetische Vielfalt und Vitalität sowie ein ungenügendes Blüten- und Nahrungsmittelangebot im Zentrum stehen, sind die Hauptursachen bei den Wildbienen der Verlust von Lebensräumen und Kleinstrukturen, sowie ebenfalls der Rückgang beim Nahrungsmittelangebot. Gerade beim Blüten und damit Nahrungsmittelangebot zeigt sich, wie gross die Veränderung auch über längere Zeiträume war: Seit 1900 hat sich die Fläche an blütenreichen Trockenwiesen um 95 % reduziert! Dazu kommt die grossflächige Anwendung von Herbiziden und die Überdüngung mit Stickstoff, die ebenfalls entscheidend zum Rückgang des Blütenangebots beigetragen haben. Ein wichtiger Faktor, von dem sowohl Wild- als auch Honigbienen betroffen sind, ist der Einsatz von Pestiziden, wobei Wildbienen davon stärker betroffen sind, da sie als nicht-staatenbildende Insekten die Auswirkungen weniger gut auffangen können.
Konkurrenz zwischen Honig- und Wildbienen?
In den letzten Jahren wurde auch immer wieder darüber gesprochen, dass Honigbienen ein Problem für die Wildbienen darstellten und ihnen die Nahrung streitig machen würden. Insbesondere die Zunahmen von Bienenvölkern in den Städten kann Wildbienenpopulationen unter Druck setzen und zu einer Verknappung des Nahrungsangebots führen. Imkerverbände wie Bienen Schweiz oder der deutsche Berufs- und Erwerbssimkerbund warnen aber davor, Honigbienen und Wildbienen gegeneinander auszuspielen. Eine Studie über eine mögliche Konkurrenzsituation Zwischen Honig- und Wildbienen aus Wien (2023) zeigt zwar auf, dass es in bestimmten Kontexten durchaus zu Futterkonkurrenz kommen kann. Diese sei jedoch nicht die Ursache für den Rückgang der Wildbienen. Gerade auf einzelne Pflanzen spezialisierte Bienenarten sind in erster Linie auf für sie zugeschnittene Lebensräume angewiesen. Anstatt auf diese Konkurrenzsituation zu fokussieren, wäre es erfolgversprechender, Massnahmen, die sowohl die Lebensbedingungen für Wild- als auch Honigbienen begünstigen, stärker zu fördern – zum Beispiel vielfältige, kleinräumige Landschaften und ein ausreichendes Nahrungsangebot über den ganzen Sommer. Das hilft sowohl den wildlebenden Bestäubern, verhilft aber auch den Imkerinnen zu starken, widerstandsfähigen Bienenvölkern.
Dieser Artikel erschien in der Agricultura-Ausgabe 3/2024. Autor: Stephan Tschirren