«Arbeit mit den Händen tut gut»

Kilian Baumann wurde Kleinbauern-Präsident in einer Zeit, in der die Agrarpolitik zuoberst auf der politischen Agenda stand und er mitten im Rampenlicht. Inzwischen haben sich die Gemüter abgekühlt, es ist Sommer, und er nimmt sich Zeit, mit uns für einmal nicht über Politik zu sprechen, sondern über sich, seinen Hof und seine Visionen.

Fotos: Silvan Mahler, 2021

 

Kilian, wie geht es dir nach diesem intensiven halben Jahr?
Mir geht es gut, der Abstimmungskampf über die beiden Pestizidfrei-Initiativen war aber schon sehr herausfordernd. Wir bäuerlichen Befürworter der Initiativen hatten keinen leichten Stand innerhalb der Landwirtschaft. Zukünftig werde ich noch mehr versuchen, die Argumente der ökologisch- und sozialorientierten Bäuerinnen und Bauern in die Diskussion einzubringen.

Wo holst du dir Motivation und Energie in solch anspruchsvollen Zeiten?
Bei meiner Familie und bei der Arbeit auf dem Hof. Nach langen Sitzungen ist es jeweils eine Freude, wieder etwas mit den Händen zu machen und den Kopf zu lüften.

Dein Weg scheint vorgezeichnet: Aufgewachsen auf einem Hof als Sohn politisch engagierter Eltern, der Vater ehemaliger Kleinbauern-Präsident, bist du nun selbst Bauer, Nationalrat und Präsident der Kleinbauern-Vereinigung. Hätte es auch anders kommen können?
Ja, es hätte sehr gut auch anders kommen können. Ich habe nie eine politische Karriere angestrebt, ich war eigentlich ganz glücklich mit meiner Tätigkeit als Biobauer und Hausmann. Weil sich aber die sogenannten Bauernvertreter in der öffentlichen Diskussion und im Parlament leider oft sehr egoistisch und antiökologisch einbringen, zog es mich doch in die Politik.

Von aussen betrachtet gehst du enorm souverän mit deinem Erbe um. Wie sieht es innen aus?
Dass auch meine Eltern in der Politik waren, ist eigentlich immer nur ein Thema, wenn ich ein neues Amt antrete. Dies war bereits so, als ich in den Grossen Rat des Kantons Bern gewählt wurde. Nach kürzester Zeit ist das Thema aber abgehakt und man wird an den eigenen politischen Leistungen gemessen. Politisches Engagement ist mit viel Arbeit und gewissen Entbehrungen verbunden, es ist aber auch sehr bereichernd.

Wo siehst du dich: Führst du ein Erbe weiter, oder bringst du eine Vision voran?
Da meine Eltern eine ähnliche politische Haltung hatten, ist es ein bisschen beides. Aber in erster Linie kämpfe ich schon für meine Überzeugung: In der reichen Schweiz muss es doch möglich sein, die Lebensmittelversorgung sicherzustellen, ohne die Ökosysteme zu zerstören.

Du hast deinen Hof vor 20 Jahren übernommen. Was hat sich in dieser Zeit verändert?
Die Förderung der Biodiversität ist noch stärker ins Bewusstsein gerückt. Früher musste man sich zum Beispiel fast überwinden, beim Mähen einer extensiven Wiese einen Altgrasstreifen stehen zu lassen, heute ist dies eine Selbstverständlichkeit, und man freut sich an den Insekten, die sich darin zurückziehen können und den Blumen, die sich weiterverbreiten. Das Wissen, dass die Artenvielfalt zentral ist, ist sicher noch einmal gewachsen. Nun geht es darum, dies einer breiten Öffentlichkeit verständlich zu machen.

Nach welchen Grundsätzen bewirtschaftest du den Betrieb?
Ich habe immer versucht, das Maximum bezüglich Umwelt- und Tierschutz zu machen. Dies hatte auch den Vorteil, dass unser Betrieb Veränderungen in diesem Bereich gut mitmachen konnte. Oder anders gesagt: Wir haben glücklicherweise nie in die falsche Richtung investiert. Der dreissig Jahre alte Laufstall erfüllt noch immer alle Label-Auflagen. Und wir haben immer mit den auf dem Betrieb vorhandenen Ressourcen gearbeitet, sprich mit dem betriebseigenen Futter.

Wo möchtest du den Hof noch weiterentwickeln?
Insbesondere im Bereich Klimaschutz werde ich versuchen, den Betrieb noch weiter zu verbessern. Da aber momentan die politische Arbeit viel Zeit beansprucht, müssen einige Projekte auch noch etwas warten.

Wo siehst du deine Rolle als Bauer in der Gesellschaft?
Der Stadt-Land-Graben macht mir schon etwas Sorgen. Wir müssen vermehrt versuchen, der urbanen Bevölkerung aufzuzeigen, was es braucht, um Lebensmittel zu produzieren. Wir müssen wieder mehr Nähe zwischen Landwirtschaft und Konsumentinnen herstellen.

Der 13. Juni hat es gezeigt: Die Landwirtschaft von aussen zu erneuern ist schwierig. Doch die Herausforderungen bleiben. Was braucht es, damit es von innen gelingt?
Solange eine Mehrheit der Bäuerinnen gegen eine ökologischere Landwirtschaft ankämpft, müssen sich die Agrarkonzerne nicht selbst exponieren. Die Agrarkonzerne haben grosses Interesse daran, dass Kritik an der gegenwärtigen Agrarpolitik als Bauern-Bashing wahrgenommen wird, auch um die Umweltverbände als bauernfeindlich darzustellen. Wir müssen endlich aufhören, uns vor den Karren der Agrarkonzerne spannen zu lassen. Die Anzahl der Landwirtschaftsbetriebe nimmt laufend ab, während die Gewinne der Agrar- und Lebensmittelkonzerne stetig steigen. Diesen Missstand werden wir mit der Kleinbauern-Vereinigung weiter aufzeigen und uns dagegen wehren, auch um die Position von uns Bäuerinnen und Bauern zu stärken.

 

Kilian Baumann ist ausgebildeter Landwirt und wohnt mit seiner Familie in Suberg (BE). Er führt einen 10 Hektar grossen Biobetrieb mit Ackerbau, Weiderindern aus muttergebundener Kälberaufzucht und Hochstammbäumen. Das Rindfleisch wird ausschliesslich direkt vermarktet. Seine Leidenschaften sind Lesen, Wandern und die Politik.

 

  • Dieses Interview erschien in der Agricultura-Ausgabe 3/2021. Autorin: Annemarie Raemy

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