«Besonders wichtig ist mir die Vielfalt»

Jasmine Lernpeiss ist seit 10 Jahren Mitglied des Vorstands der Kleinbauern-Vereinigung. Sie baut mit ihrem Partner Armin Schmidlin einen Hof neu auf, den sie ausserfamiliär übernommen haben. Der Aufbau erfordert viel Geduld und Durchhaltewillen.

Jasmine Lernpeiss, Vorstandsmitglied der Kleinbauern-Vereinigung

Jasmine, du hast mit deinem Partner 2022 einen Hof übernommen, wo steht ihr im Moment bei der Hofübernahme?
Unser Ziel wäre gewesen, ab 2023 auf dem Hof zu leben. Da die Infrastruktur veraltet ist, müssen wir zuerst umbauen. Seit vier Jahren sind wir mit dem Kanton in Kontakt bezüglich einer Baubewilligung. Dieser Prozess ist ein sehr aufwändiges, zeit- und kostenintensives Unterfangen.

Was ist es für ein Betrieb, den ihr übernommen habt?
Wir bauen den Hof komplett neu auf, die früheren Betriebsstrukturen existieren nicht mehr. Unsere neu angelegten Betriebsbereiche umfassen Kräuter, Beeren, Gemüse, fünfzig Hochstammobstbäume, etwas Ackerbau und Weideland. Wir halten Engadinerschafe, Hühner und Bienen. Bevor wir eigene Kühe haben können, müssen wir einen neuen Stall bauen. Das ist im Moment finanziell schwierig für uns. Der Aufbau des Hofes ist ein sehr intensiver und aufwändiger Prozess. Aber nun gibt es wieder einen Bauernhof mehr in der Schweiz.

Wie kam der Kontakt zum vorherigen Besitzer zustande?
Wir haben in der Nähe ein Haus angeschaut. Beim Spazierengehen kamen wir beim Hof vorbei und haben uns sehr zu dem Ort hingezogen gefühlt. Wir haben dem Besitzer einen Brief geschrieben. Das war der Beginn unserer gemeinsamen Reise.

Welches waren die grössten Herausforderungen und Knacknüsse bei der Übernahme?
Die Übernahme brauchte Zeit, insgesamt 6 Jahre. Uns war wichtig, dass unser Vorgänger in allen Prozessen mit einbezogen ist. Bei den verschiedenen Beratergesprächen war er immer dabei. Ein offener, transparenter, ehrlich und respektvoller Umgang war uns sehr wichtig. Unserem Vorgänger war der Erhalt des Hofes als Einheit ein grosses Anliegen. Da ein Teil des Landes verpachtet war, mussten wir warten, bis die Pachten abgelaufen sind. Unser Sonderfall eines nicht mehr aktiven Betriebes machte die Situation noch komplizierter.

Nach welchen Grundsätzen wollt ihr euren landwirtschaftlichen Betrieb führen?
Für mich liegt der Weg in der regenerativen Landwirtschaft, weil der Boden umfassend betrachtet wird. Ein gesunder Boden führt zu gesunden Pflanzen und Lebensmitteln. Für mich ist regenerative Landwirtschaft das verbindende Element zwischen den verschiedenen Anbausystemen (Bio, Demeter, IP, konventionell). Indem man dieses Wissen in seine Anbaumethode integriert, fängt man an, den Boden zu verbessern. Wir bewirtschaften den Hof biologisch und in Zukunft werden wir die Demeter-Präparate einsetzen.

Was habt ihr mit dem Hof vor? In welche Richtung soll er sich entwickeln?
Wir fangen völlig bei null an, wodurch jeder unserer Schritte ein Teil unserer Vision ist. Wir wollen einen vielfältigen und nachhaltigen Bauernhof aufbauen: regenerativ, solidarisch, sozial, mit Schwerpunkt auf der Direktvermarktung von Kräuterprodukten, Fleisch, Beeren und Gemüse-Abos. Wir wünschen uns einen lebendigen Ort, wo ein Austausch mit unseren Kundinnen und Kunden stattfindet und hautnah miterlebt werden kann, welche Schritte es braucht, bis man das Rübli in den Händen halten und hineinbeissen kann.

Du bist seit 10 Jahren Mitglied im Vorstand der Kleinbauern-Vereinigung. Wie hat sich das ergeben?
Die damalige Präsidentin, Regina Furrer, hat die Kleinbauern-Vereinigung im Rahmen der Ausbildung unserer Bio-Schwand-Klasse vorgestellt. Sie hat uns zur nächsten Mitgliederversammlung eingeladen, damit wir dort unsere Vision und Gedanken zum Thema Landwirtschaft vorbringen. Mir hat der Austausch zwischen Konsumenten und Bauern gefallen, und dass jede Landwirtin und jeder Landwirt willkommen ist in der VKMB, unabhängig von der Anbaumethode. Ein ebenso wichtiger Teil sind die Konsumentinnen und Konsumenten.

Wir stehen in der Agrarpolitik vor grossen Herausforderungen. In welche Richtung muss sich die Landwirtschaft in der Schweiz entwickeln?
Besonders wichtig ist mir die Vielfalt und offene Räume dafür in der Praxis und auf Gesetzesebene. Mir fällt keine andere Branche ein, die von so vielen äusseren Einflüssen und Gesetzen bestimmt wird, wie die Landwirtschaft. Die Frage, die sich stellt: Ist die aktuelle Situation förderlich, um die Landwirtschaft innovativ und für die Anforderungen der Zeit fit zu machen, oder geht die momentane Veränderung mehr in Richtung Kontrolle und Restriktion?
Wichtige Themen, die in der regenerativen Landwirtschaft angesprochen werden, sollten vermehrt auch in der landwirtschaftlichen Grundbildung vermittelt werden. Zum Beispiel neue Anbaumethoden, die Förderung vielfältiger Formen von Landwirtschaft und eine bessere Berücksichtigung der Bedürfnisse und Wünsche der Bäuerinnen und Bauern. Auch kleine Höfe und Landbewirtschafterinnen, die im aktuellen System nicht genügend Standardarbeitskräfte (SAK) erreichen, sollten ihren Platz bekommen und die Möglichkeit haben, zum Beispiel einen Folientunnel oder Geräteschuppen aufzustellen. Das Anliegen der Vielfalt sollte im Zugang zu Finanzierungshilfen stärker berücksichtigt werden. In der Biodiversität wird die Bedeutung der Vielfalt anerkannt und gefördert, beim Thema Vielfalt in Bezug auf Bewirtschaftungsformen herrscht Zurückhaltung.

Welche Rolle kann die Kleinbauern-Vereinigung bei der Ausgestaltung der Landwirtschaft spielen?
Die Kleinbauern-Vereinigung trägt seit vielen Jahren dazu bei, den Blick offen zu halten in Bezug auf die Landwirtschaft und zeigt die vielen verschiedenen Möglichkeiten und Wege innerhalb der Bewirtschaftung auf. Sie engagiert sich aktiv für den Erhalt und die Weitergabe von Höfen ausserhalb der Familie, vernetzt sich zu den verschiedensten Themen und bezieht Position.

Was wünscht du dir für euren eigenen Hof? Wo siehst du deinen Betrieb in 10 Jahren?
Mein grösster Wunsch für unseren Hof ist, dass wir eine stabile Gemeinschaft an Kundinnen und Kunden haben, die bei uns direkt unsere Produkte beziehen und offen sind, unsere Aufbauphase zu begleiten. Jede Hilfe, in welcher Form auch immer, ist ein Segen für uns. Für unseren zukünftigen kleinen Stall suchen wir finanzielle Unterstützung von Privaten, da wir durch alle Finanzierungsraster der landwirtschaftlichen Kasse fallen.
Für die Zukunft des Hofes wünsche ich mir einen lebendigen Ort der Begegnung und des Austauschs.
An dieser Stelle möchte ich all jenen Menschen danken, die uns beraten, unterstützen, helfen und an uns glauben, ihr gebt mir Kraft, Mut und Vertrauen, dass jeder Hof zählt. Von Herzen Danke.

 

Der Hof von Jasmine Lernpeiss und ihrem Partner Armin Schmidlin liegt in Gontenschwil (AG) auf 650 m.ü.M. Er umfasst eine Fläche von 8.5 Hektaren. Auf dem Hof leben Engadiner Schafe, Hühner, Bienen, im Sommer Kühe von anderen Betrieben und es wachsen Kräuter, Gemüse, Beeren, Hochstammobstbäume und Ackerkulturen. Jasmine ist ausgebildete Landwirtin mit Schwerpunkt Biolandbau und der Fachprüfung in biologisch-dynamischer Landwirtschaft.

 

  • Dieser Artikel erschien in der Agricultura-Ausgabe 3/2023. Autor: Stephan Tschirren

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