«Die Arbeit mit der Natur macht mich zufrieden»

Sarah Elser engagiert sich in vielfältiger Weise als Brückenbauerin zwischen Bäuerinnen und Konsumenten. In ihren verschiedenen Tätigkeiten stehen die Landwirtschaft und die Förderung einer nachhaltigen Ernährung im Zentrum.

Sarah, du bist seit diesem Frühling Mitglied im Vorstand der Kleinbauern-Vereinigung. Warum engagierst du dich bei uns?
Wie die Kleinbauern-Vereinigung, möchte ich mit meinem Engagement etwas bewegen und mich aktiv für ein gerechteres und ökologischeres Ernährungssystem engagieren. Der Erhalt einer kleinstrukturierten, vielfältigen und sozialen Landwirtschaft liegt mir am Herzen und ist für mich grundlegend für ein widerstandsfähiges Ernährungssystem, eine intakte Natur und eine «gesunde» Gesellschaft. Dafür braucht es Brücken zwischen landwirtschaftlicher Produktion, Verarbeitung und Konsum. Die Kleinbauern-Vereinigung als Bäuerinnen- und Konsumenten-Organisation, die klare Position bezieht zum politischen Geschehen bietet für mich den perfekten Wirkungsort.

Wie bist du zu diesen Themen kommen? Welchen Bezug hast du zur Landwirtschaft?
Die Landwirtschaft hat mich schon immer fasziniert und durch die Familie meiner Mutter hatte ich auch einen direkten Bezug dazu. Während meines kunstwissenschaftlichen Studiums beschäftigte ich mich zunehmend mit gesellschaftspolitischen Themen, wie soziale Ungerechtigkeit, Klimawandel, Biodiversitätsverlust und weiteren Missständen in unserem System – insbesondere im Landwirtschafts- und Ernährungssystem. Ich wollte aktiv etwas bewegen, gestalten und verändern. Deshalb habe ich mich Slow Food Youth – einem globalen Netzwerk für gutes, sauberes und faires Essen – angeschlossen und engagiere mich dort nun seit mehreren Jahren aktiv im Kernteam. Zudem arbeitete ich in den Semesterferien und an den Wochenenden auf verschiedenen Höfen oder in Biogärtnereien mit. Das Arbeiten in und mit der Natur, mit Tieren und Pflanzen gibt mir Sinnhaftigkeit und Zufriedenheit. Nach ein paar Jahren Museumsarbeit merkte ich, dass ich mich ganz meiner Leidenschaft und meinen Interessen widmen will. Glücklicherweise erhielt ich zeitgleich zwei Jobangebote im Landwirtschafts- und Ernährungsbereich.

Du engagierst dich an vielen verschiedenen Orten und arbeitest auch auf mehreren Höfen mit. Was ist dir dabei wichtig?
Die Philosophie und Vision des jeweiligen Orts müssen mir entsprechen. Auch ein wertschätzender und respektvoller Umgang zwischen den Menschen, mit den Tieren und mit der Natur, ist mir wichtig. Und gerade, weil ich keine Ausbildung im Landwirtschafts- oder Ernährungsbereich habe, schätze ich Vielfalt und lerne gerne immer wieder was Neues!

Welche Bedeutung hat für dich die Kombination von praktischer und politischer Arbeit?
Die Kombination ist für mich entscheidend. Die Verknüpfung von praktischer Erfahrung und theoretischem Wissen bietet für mich die perfekte Basis für politischen Aktivismus und bestärkt mich auch immer wieder in meinem Engagement.

Du bist du bei Slow Food aktiv. Wofür setzt ihr euch da ein?
Essen verbindet Menschen weltweit. Die Bewahrung der biologischen Vielfalt der Lebensmittel, wie Genuss, Regionalität und traditionelles Handwerk sind wichtige Grundpfeiler. Dabei konzentrieren wir uns nicht auf einen Teil der Lebensmittelwertschöpfungskette, sondern versuchen die einzelnen Glieder miteinander zu verbinden, indem wir beispielsweise Hof- und Produzentenbesuche organisieren. Mit unserem Engagement möchten wir eine respektvolle und wertschätzende Beziehung zwischen Stadt und Land, sowie zwischen Mensch, Tier und Natur fördern. Deshalb engagieren wir uns auch in der Ernährungsbildung und für bewussteres Konsumverhalten, in dem wir Workshops und Schulprojekte organisieren. Und mit den politischen Aktionen setzten wir uns für eine nachhaltige und lebendige Esskultur ein. Diese Kombination gefällt mir, denn für eine grundlegende Veränderung unseres Landwirtschafts- und Ernährungssystem müssen alle angesprochen werden und es braucht ein Umdenken sowohl auf individuell-persönlicher wie auf strukturell-politischer Ebene.

Gibt es da Berührungspunkte mit der Kleinbauern-Vereinigung?
Ja. Slow Food Youth wie auch die Kleinbauern-Vereinigung sprechen nicht nur ein Glied der Lebensmittelwertschöpfungskette an, sondern versuchen die einzelnen Stufen der Wertschöpfungskette miteinander zu verbinden bzw. einander näher zu bringen. Beide Organisationen zeigen mit ihrem Engagement auf, dass die Landwirtschaft, das Ernährungs-/Konsumverhalten und die Klimakrise stark miteinander verbunden sind. Und beide Organisationen arbeiten auf ein vielfältiges, kleinbäuerliches, sozial und ökologisch nachhaltiges Landwirtschaftssystem, sowie ein regionales, saisonales und sozial faires Konsumverhalten hin.

In der Agrarpolitik stehen auch in den nächsten Jahren grosse Herausforderungen an. Wie muss sich die Landwirtschaft auf diese vorbereiten?
Ich denke es gibt nicht eine konkrete Art der Vorbereitung. Als Schlüsselelemente erachte ich Vielseitigkeit, Anpassungsfähigkeit, ressourcenschonende Produktion und Offenheit. Die einzelnen Höfe sollten sich vermehrt untereinander vernetzten und den direkten Kontakt zu den Konsumierenden suchen. Ich denke, dass vermehrt alternative Strukturen gefragt sind, wie solidarische Landwirtschaftsformen, die sich so für gerechtere Löhne und faire Preise einsetzen, sowie regenerative Anbauweisen pflegen.

Welche Rolle kann die Kleinbauern-Vereinigung in diesen Prozessen übernehmen?
Die Kleinbauern-Vereinigung sollte weiterhin das Verständnis und Bewusstsein fördern, dass für eine nachhaltige Veränderung des Agrar- und Ernährungssystems alle Stufen der Wertschöpfungskette gleichermassen gefragt sind, vom Acker bis zum Teller. Dazu soll sie auch weiterhin politisch Stellung beziehen und sich dabei mit anderen Organisationen vernetzen, umso mehr Wirkungskraft zu erzielen.

Wo siehst du dich selber und die Landwirtschaft in der Schweiz in 10 Jahren?
Seit klein auf habe ich den Wunsch auf einem eigenen Bauernhof mit Kühen im Stall zu arbeiten und zu leben. Vielleicht ist das in 10 Jahren Realität – wer weiss… Bestimmt werde ich mich weiterhin für mehr Bewusstsein, mehr Wertschätzung, mehr Transparenz und soziale Gerechtigkeit engagieren.
Wie die Landwirtschaft in der Schweiz in 10 Jahren aussieht? Hoffentlich vielfältig, kleinstrukturiert, sozial gerechter und ökologisch nachhaltig.

 

Sarah Elser ist seit dem Frühling 2023 Mitglied im Vorstand der Kleinbauern-Vereinigung. Die studierte Kunsthistorikerin arbeitet auf einem Gemüsebetrieb in der Nähe von Bern und beim Ernährungsforum Zürich. Dazu ist sie Mitglied im Kollektiv eines selbstverwalteten Bio-Ladens und engagiert bei Slow Food.

 

  • Dieser Artikel erschien in der Agricultura-Ausgabe 4/2023. Autor: Stephan Tschirren

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