Für Menschen, die keinen landwirtschaftlichen Betrieb in der Familie haben, und solche, die Land in einer kollektiven Form bewirtschaften wollen, gleicht der Zugang zu Land einem Hürdenlauf. Der Verein Rage de Vert (NE) und andere Projekte haben ihren eigenen Weg gefunden.
Die landwirtschaftliche Nutzfläche macht 36 % der Gesamtfläche der Schweiz aus. Sie ist begrenzt und sehr begehrt, das Angebot liegt weit unter der Nachfrage. Jugendliche, die eine Ausbildung im Berufsfeld Landwirtschaft wählen, sind sich dessen sehr bewusst. Darüber hinaus beobachtet unsere Anlaufstelle für ausserfamiliäre Hofübergabe, dass die Hofabgebenden ihren Betrieb lieber an Familien oder junge Paare übergeben als an Betriebsformen wie Kollektive oder Vereine. In jedem Fall ist der Prozess einer Hofübergabe zeitaufwändig, komplex und emotional. Auch rechtliche, finanzielle und administrative Fragen müssen geklärt werden. Und die Übernehmenden müssen flexibel sein, wenn das verfügbare Land nicht genau ihren Vorstellungen entspricht.
Der Preis des Traums
Um landwirtschaftliches Land zu kaufen und von agrarpolitischen Massnahmen wie Direktzahlungen oder Agrarkrediten zu profitieren, muss man eine landwirtschaftliche Ausbildung haben und ein tragfähiges Projekt vorweisen können. Einige Kantone anerkennen auch eine mehrjährige landwirtschaftliche Tätigkeit. Innerhalb der Familie werden die Betriebe in der Regel zum Ertragswert verkauft. Außerhalb der Familie gilt der Verkehrswert. Je nach Region kann dieser das 2,5- bis 5-fache des Ertragswerts betragen! Es kommt vor, dass ein landwirtschaftlicher Betrieb nicht nur auf Grund der «Gier» benachbarter Landwirte nach Land zerschlagen wird, sondern auch zugunsten ihrer Nachkommen, die auf diese Weise ihre Gewinne maximieren.
Eine Alternative zum Kauf ist das Pachten. Bauern, die in den Ruhestand gehen, möchten vielleicht aus emotionalen oder finanziellen Gründen weiterhin auf ihrem Hof leben und ihr Land an Nachbarn verpachten. Eine pensionierte oder noch aktive Bäuerin kann ihr Land auch an junge Menschen verpachten, die in der Landwirtschaft Fuss fassen möchten. Dies ermöglicht ihnen zwar den Einstieg in die Produktion, kann aber für die junge Generation eine finanzielle Belastung darstellen: Sie benötigen eine Unterkunft, die möglicherweise weit weg von den zu bewirtschaftenden Parzellen liegt, oder die logistischen Herausforderungen sind hoch, wenn kein Gebäude für Maschinen, Lagerung oder Verarbeitung zur Verfügung steht. Darüber hinaus hängen solche Projekte oft vom guten Einvernehmen mit dem Landwirten ab, was z. B. den Bau von Infrastruktur oder die Pflanzung von Bäumen für ein längerfristiges Projekt erschweren kann.
Motivierte Personen suchen Land…
Rage de Vert wurde vor etwas mehr als zehn Jahren von Menschen gegründet, die ihre Kräfte und Fähigkeiten bündeln wollten. Mit einer urbanen, bürgernahen Landwirtschaft betreibt der Verein Abos mit gesundem und hochwertigem Gemüse, das die Umwelt und die Menschen respektiert. Das Projekt begann auf einem weniger als 1 ha grossen Stück Land, das der Stadt Neuenburg gehörte. Eine unsichere Situation, da die Stadt diese Flächen jederzeit als Bauland zurückfordern und bebauen konnte.
Hinzu kam ein 0,5 ha grosses, unbebautes Gelände eines Unternehmens, das sich kaum für die Landwirtschaft eignete. Die so ergatterten Flächen ermöglichten dem Projekt den Start, allerdings ohne solide Grundlage. Nach einigen Jahren konnte Rage de Vert auf «echtes» Ackerland eines Landwirten umziehen, mit dem der Verein ins Gespräch gekommen war. Ihm gefiel das Projekt des Gemüseanbaus in einem regionalen Kreislauf. Er verpachtet dem Verein nun 1,5 ha mit einer Laufzeit von sechs Jahren, mit Option auf Verlängerung. Die Flächen bleiben auf den Namen des Landwirten eingetragen und sind Teil seines Betriebs, was unter anderem die Erteilung einer Baubewilligung für die Gewächshäuser ermöglichte. Der Verein Rage de Vert allein hätte die Genehmigung nicht erhalten können. Eine Win-Win-Situation also: Der Landwirt diversifiziert die Produktion auf seinem Land, Rage de Vert pachtet und erschliesst Parzellen für seine Produktion und hat dabei eine gewisse Planungssicherheit.
Verschiedene Wege führen zum Ziel
Es gibt viele andere Projekte, die eine kreative Lösung gefunden haben. Die Ferme de Mamajah (GE) ist auf einem Grundstück entstanden, das früher ein Erholungsgebiet war. Philippe Rohner und sein Team konnten die Behörden mit ihrem agrarökologischen Projekt überzeugen, das sich nun auf 3 ha entwickelt, die sie vom Kanton Genf pachten konnten. Die Obst- und Gemüseproduktion wird lokal in Abos vermarktet und an Kindergärten und Schulen sowie an Restaurants verkauft.
Die Jardins de Valérie in Chambésy (GE) befinden sich auf einem privaten Baugrundstück. Mit einem guten Konzept konnte Antoine Boudraa den Eigentümer von der Synergie zwischen seinem landwirtschaftlichen Vorhaben und einem Immobilienprojekt überzeugen.
Um anständig davon leben zu können, ohne alle Risiken tragen zu müssen, nahm das Projekt auf der Grundlage eines Vertrauensverhältnisses die Form einer GmbH des Grundbesitzers an, der den Agraringenieur für den Gemüseanbau beschäftigt. Ein als französischer Garten angelegter Zierpark wurde in biointensiv bewirtschaftete Flächen umgewandelt, die für den Direktverkauf vor Ort genutzt werden und Lebensmittelgeschäfte und Restaurants beliefern.
Die Ferme du Goupil wurde von drei Agraringenieuren ins Leben gerufen. Sie gingen eine Partnerschaft mit einem weltweit tätigen Unternehmen ein, das ihnen ein 1,5 ha grosses Grundstück an seinem Standort in Mex (VD) zur Verfügung stellt. Die lokale, ökologische und solidarische Produktion wird hauptsächlich an die Mitarbeitenden des Unternehmens verkauft und trägt auch zur Begegnung zweier unterschiedlicher Welten bei.
Die Frage des Zugangs zu Land ist eine Frage des politischen Willens: Will man das von den Bundesbehörden als «natürlich» bezeichnete Hofsterben fortschreiten lassen oder will man eine diversifizierte und widerstandsfähige Landwirtschaft für die kommenden Jahre fördern? Die aktuellen Gesetze schützen unser wertvolles Agrarland und verhindern, dass die Spekulation mit Boden freie Hand hat. Dennoch sind heutzutage einige Anpassungen notwendig, um einer neuen Generation Zugang zu ihren eigenen Lebensentwürfen zu ermöglichen und innovative Konzepte für ein nachhaltiges Ernährungssystem zu verwirklichen.
Die Broschüre «Regionale Vertragslandwirtschaft – Handbuch für den Start» (Bio Suisse, AGRIDEA und FRACP, 2022) bietet wertvolle Informationen und Referenzen, um ein Projekt zu starten.