Widerstandskraft stärken für kommende Herausforderungen

Mit unzähligen kleineren Korrekturen will der Bundesrat die Agrarpolitik AP 22+ auf Kurs bringen. Die dringenden Herausforderungen im Klima- und Umweltbereich können so aber nur zögerlich angepackt werden. Die Kleinbauern-Vereinigung fordert mehr Konsequenz.

 

Die Vielfalt an Bauernbetrieben und Biodiversität auf den Höfen ist eine der wertvollsten Eigenschaften und wichtigsten Anforderungen an die Landwirtschaft in der Schweiz und weltweit. Denn Vielfalt schafft Widerstandskraft, welche angesichts des Klimawandels noch viel zentraler geworden ist. Diese Vielfalt geht in der Schweiz und weltweit jedoch immer mehr zurück. In der Schweiz versucht man via Agrarpolitik seit langem die Biodiversität zu fördern, das ist wichtig und richtig. Die Vielfalt an Betrieben erfährt dagegen keine Unterstützung. Im Gegenteil wurden Anreize zu mehr Betriebswachstum und damit weniger Betrieben gesetzt. Mit der Agrarpolitik 2022 plus (AP 22+) soll zumindest wieder eine Begrenzung der Direktzahlungen eingeführt werden. Der Bundesrat setzt die Grenze jedoch so hoch, dass nur ganz wenige Betriebe davon betroffen wären. Da auch der in der Vernehmlassung noch vorgeschlagene Betriebsbeitrag nicht weiterverfolgt werden soll, hat die Betriebsvielfalt weiterhin einen äusserst schweren Stand.

Weniger aber wirksamere Massnahmen

Daneben bleibt die AP 22+ äusserst komplex, eine Vereinfachung ist nicht in Sicht. Anstatt auf die Förderung gesamtbetrieblicher Ansätze, wie zum Beispiel den biologischen Landbau, wird auf eine Vielzahl an Programmen und Anreizen gesetzt. Die Kleinbauern-Vereinigung fordert deshalb weniger und konsequentere Massnahmen. Die Kernpunkte dabei sind eine wirksame Begrenzung der Direktzahlungen nach oben, eine stärkere Förderung gesamtbetrieblicher Systeme sowie einer vielfältigen und klimaschonenden Landwirtschaft insgesamt.

«Es braucht ein Bekenntnis in Richtung klimaneutraler, naturnaher und vielfältiger Landwirtschaft.»

Bauer Markus Schwegler führt zusammen mit seiner Partnerin das NaturGut Katzhof. Er ist Vorstandsmitglied der Kleinbauern-Vereinigung und Mitglied der Gruppe Landwirtschaft und Klima der Klimaallianz. Letzten Herbst hielt er vor rund 100’000 Personen an der Klimademo auf dem Bundesplatz eine Rede zur Klimaproblematik. Wir haben ihn gefragt, was in der Praxis bereits heute an Überlegungen zum Klimaschutz da sind und was Bäuerinnen und Bauern schon jetzt fürs Klima tun können.

Barbara Küttel: Markus, spürst du die Auswirkungen des Klimawandels auf deinem Hof?
Markus Schwegler: Wir bewirtschaften den Hof erst seit fünf Jahren. In diesen fünf Jahren wurden drei sogenannte Hitzejahre gezählt. Das spürten wir auch bei uns. Die Sommer sind generell trockener und heisser. Dies merken wir auch am Grundwasserspiegel, der eindeutig zurückgegangen ist. Das Wetter ist generell weniger konstant und extremer geworden. Das betrifft beispielsweise die Niederschläge oder diesen Winter die starken Windstürme.

Was versuchst du als Bauer konkret für den Klimaschutz zu tun?
Generell finde ich, müssen wir die Energie- und Ressourcenfragen ins Zentrum rücken. Die Emissionsfrage allein ist in meinen Augen zu engstirnig. Die Energiebilanz ist zentral, die Emissionsbilanz eine Folge davon. Wir versuchen, so wenige Betriebsmittel wie möglich einzusetzen und diejenigen, die wir einsetzen, so sparsam wie möglich. Im Betriebszweig Gemüse versuchen wir, so viel wie möglich in Handarbeit zu erledigen. Sie weist klar die beste Energiebilanz aus. Mit dem hohen Anteil an Direktvermarktung versorgen wir unsere Kunden in lokalen Kreisläufen, was auch wesentlich zu einer besseren Energiebilanz beiträgt. Wir haben ausserdem eine Photovoltaikanlage, von der wir einen grossen Teil des produzierten Stroms selber brauchen können.

Die Tierhaltung wird als eine der grossen Quellen von Treibhausgasen gesehen. Du hast eine Mutterkuhherde. Wie vereinbarst du das mit deinem «Klimagewissen»?
Die Kuh ist aus meiner Sicht kein Klimakiller. Die Frage ist jedoch: Wie werden die Tiere gehalten, wie viele Tiere pro Fläche, mit welcher Leistung und Züchtung und wie werden sie gefüttert? Die Kuh stösst Methan aus, klar. Tiere sind aber sehr wichtig für das ganze Kreislaufsystem und unterstützen z.B. den Humusaufbau mit ihrem Dung massgeblich. Die Kühe auf unserem Hof fressen das Gras der steileren Flächen und sollen möglichst viel auf der Weide grasen. Der Tierbesatz ist gering und sie sind nicht auf Leistung getrimmt, brauchen also kein Zusatzfutter wie Soja, das sie gar nicht effizient verwerten können.

Das Thema Humusaufbau und Boden als CO2-Speicher ist in aller Munde. Welche Möglichkeiten und Chancen siehst du für die Bäuerinnen und Bauern hier?
Aus meiner Sicht ist die Idee mit den Emissionszertifikaten der falsche Ansatz. Der Boden ist das wichtigste Kapital von uns Bauern und Bäuerinnen. Ohne fruchtbaren Boden gibt es keine Lebensmittel für Mensch und Tier. Das sollten wir uns mehr bewusst werden. Ein gesunder Boden ist somit im Eigeninteresse eines jeden Landwirts. Daraus nun ein Geschäftsmodell zu machen, zeugt von einem falschen Verständnis. Man will mit denselben marktwirtschaftlichen Rezepten, die viele der heutigen Probleme verursacht haben, dies korrigieren. Wenn, dann sollen solche Gelder über die öffentliche Hand ausbezahlt werden. Humuserhaltung und -aufbau und Kohlenstoffspeicherung sind wichtige Vorgänge für einen fruchtbaren Boden. Wenn es dem Klima auch noch hilft, ist das super. Auf unserem Betrieb arbeiten wir auf den Ackerflächen seit Anfang mit dem Geohobel für eine reduzierte Bodenbearbeitung. Wir sorgen durch das Anwalzen gleich nach der Bearbeitung für reduktive Prozesse und speichern so wertvollen Kohlenstoff und Nährstoffe im Boden. Wichtig ist ausserdem eine dauernde Begrünung, Kompostwirtschaft und eine vielfältige Fruchtfolge. Das wertvollste ist noch immer die Photosynthese, ein Wunderwerk der Natur. Sie nutzt die Sonnenenergie, speichert diese in den Pflanzenzellen und ermöglicht damit aufbauende Prozesse, «ganz von allein». Daher möchte ich die Eingriffe möglichst geringhalten.

Die biologische Landwirtschaft steht, gemäss Klimabilanzen, jeweils schlechter da, als die konventionelle. Wie gehst du mit dieser Schwierigkeit um? Und wie sollte der Biolandbau auf diese Problematik reagieren?
Sämtliche Berechnungen diesbezüglich, auch in Klimabilanzen, basieren auf Ertragsrechnungen, denen die Kalorienberechnung zugrunde liegt. Das ist in meinen Augen eine zu enge und unvollständige Sicht. Der Qualitätsaspekt z.B. eines Lebensmittels wird dabei nicht betrachtet. Ebenso die damit einhergehenden Dimensionen wie die Gesundheit von Mensch und Natur oder auch die Biodiversität. Der Konsum spielt hier eine zentrale Rolle. Was wird konsumiert, wie ausgewogen etc. Ich behaupte, dass ausgewogene, hochwertige Lebensmittel weniger Menge bedingen. Selbstverständlich ist zudem die Weiterentwicklung einer naturnahen Landwirtschaft wichtig. Der Biolandbau darf sich nicht zu stark von den Marktkräften treiben lassen. Die ursprünglichen Werte sind genauso entscheidend für eine gesunde Weiterentwicklung.

Welche Unterstützung wäre von Seiten der Politik hilfreich bzw. wo siehst du den grössten Handlungsbedarf?
Es braucht ein Bekenntnis und eine klare Vision in Richtung klimaneutraler, naturnaher und vielfältiger Landwirtschaft. Eine konsequente Förderung der ökologischen Landwirtschaft bedeutet vor allem auch eine Förderung gesamtbetrieblicher Systeme. Die Agrarpolitik 22+ ist ein unüberschaubarer Flickenteppich von Einzelmassnahmen. Die Botschaft des Bundesrats zur AP 22+ umfasst rund 250 Seiten. Die Agrarpolitik ist total unübersichtlich geworden, selbst für Experten. Die Gelder müssen transparenter und wirksamer eingesetzt werden. Ein Beispiel: Soll man nun einen Mistschieber in einem Laufstall fördern und die Düngerausbringung via Schleppschlauch obligatorisch machen, oder einfach viel konsequenter einen höheren Beitrag für Tiere in Weidehaltung (RAUS-Programm)? Da bin ich ganz klar für die zweite Variante. Werden die Gelder konsequent «am richtigen Ort» eingesetzt, werden sich auch die Tierbestände anpassen, das heisst reduzieren. Weiter braucht es mehr Wissen über den Boden, eine ökologische Saatzucht und lokale Versorgungskreisläufe.


Dieser Artikel erschien in der Agricultura-Ausgabe 2/2020.

  • AutorIn Barbara Kuettel

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