Mehrwert – wirtschaftlich, für die Umwelt und die Ernährung

Die Fleischproduktion ist schädlich für die Umwelt und das Klima. Während dies für die intensive Massentierhaltung stimmt, ermöglicht die Bio-Rindermast mit Raufutter bis zur Schlachtung – im Alter von gut zwei Jahren – wirtschaftlich und ökologisch interessante Perspektiven.

Das Fleisch von Weiderindern hat unter anderem einen hohen Anteil an Omega-3-Fettsäuren.

Der Konsum von Milch und Milchprodukten liegt in der Schweiz bei rund 50 kg pro Person (Agrarbericht 2022). Die Produktion von Kuhmilch aus Gras ist die effizienteste Art, unser Grasland, das etwa 70 % der landwirtschaftlichen Fläche ausmacht, für die Produktion menschlicher Nahrungsmittel zu nutzen. Um Milch zu produzieren, muss eine Kuh jedoch kalben. Etwa die Hälfte der geborenen Kälber sind männlich. Meistens werden sie als «Nebenprodukt» der Milchproduktion betrachtet und landen in der konventionellen Kanal. Eine Minderheit der Betriebe produziert damit Bio-Weidebeef.

Experimente mit „low input, no cost“

Vor bald 25 Jahren haben Eric Meili, Agronom und damaliger Berater für Tierhaltung am FiBL, und Franz Steiner, ebenfalls am FiBL, den Grundstein für die Bio-Weide-Beef-Kette gelegt und seither weiterentwickelt. Die Mutter-Kalb-Aufzucht wurde bereits seit Jahren praktiziert aber, dass die männlichen Kälber nicht verwertet wurden, war in ihren Augen nicht nachvollziehbar. Umso mehr, als sie aus dem Ausland andere Praktiken kannten. So kam es, dass Eric Meili bei Franz Steiners Bruder während zwei Jahren zehn Tiere aufzog und diese ausschließlich mit Gras, ohne Silomais und Kraftfutter fütterte, bis sie ein qualitativ hochwertiges Fleisch boten. Dieser Versuch einer Weidemast ohne Mutterkühe hat gezeigt, dass es möglich ist, die pro Hektar produzierte Fleischmenge fast zu verdoppeln, und dazu das für den menschlichen Verzehr ungeeignete Gras für zusätzlichen Nährwert und wirtschaftlichen Ertrag zu nutzen.

Von der Überzeugung zum Label

Auf der Suche nach grösserer Verbreitung und gesteigerten Wirkung überzeugte Eric Meili einen ersten Grossverteiler vom positiven Image, dieser Art von Fleischproduktion. So entstand das Migros-Label «Bio-Weide-Beef» und die dazugehörige Anforderungen für den neuen Absatzkanal. Dieses Label stellte zwar ethisch und ökologisch einen Fortschritt dar. Aber wenn das Kalb im Alter von 3-4 Wochen verkauft wird und den Betrieb wechselt, hat es die Entwicklung seiner eigenen Abwehrkräfte noch nicht abgeschlossen («Immunloch»). Dies erfordert den Einsatz von Antibiotika auf dem Mastbetrieb. Ein Unding für Eric Meili, der sich daran machte, einen anderen Händler davon zu überzeugen, ein neues Label einzuführen. Das Konzept des Labels «ALDI Bio Weide-Beef» besteht darin, die Kälber auf dem Ursprungs-Betrieb zu halten und sie nicht zu entwöhnen oder zu transportieren, bevor sie 120 Tage alt sind. Dadurch konnte der Einsatz von Antibiotika drastisch reduziert und gleichzeitig das Wohlbefinden der Tiere gewährleistet werden. Ein weiterer Schritt zur Optimierung der Ressourcennutzung.

Auf der Suche nach dem Gleichgewicht und der perfekten Ergänzung

Das Interesse an Bio-Weiderindfleisch ist über die Jahre gewachsen: Ein grosser Teil wird über die grossen Supermärkte und ihre Labels verkauft. Die Forschung hat diese Lieferkette aus verschiedenen Blickwinkeln analysiert. Metzger, Restaurants und Direktvermarkter haben Fleisch mit einer ausserordentlicher Qualität und einem besonderen Geschmack (wieder-)entdeckt. Die Landwirte haben sich auf eine Methode eingelassen, die in den landwirtschaftlichen Schulen nicht gelehrt wird. Sie holten sich ihr Wissen in der Praxis und tauschten Erfahrungen mit Gleichgesinnten aus. So wie Romain Beuret, Präsident der Interessengemeinschaft Bio Weide-Beef. Er ist eine Partnerschaft mit einem Milchviehbetrieb eingegangen, der Montbéliarde-Kühe, eine robuste Zweinutzungsrasse, hält. Dieser liegt rund 2 km von seinem eigenen Betrieb im Jura entfernt. Dort kommen die Kälber zur Welt und sie werden aufgezogen, bis sie mit etwa vier Monaten entwöhnt werden. Dann kommen diese Kälber zu Romain Beuret, um auf der Weide gemästet zu werden. Manchmal sind auch Tiere mit Angus/Montbéliarde- oder Limousin/Montbéliarde-Kreuzungen aufgezogen. Diese Tiere bleiben etwa zwei Jahre auf seinem Betrieb. Einige weibliche Tiere kehren zum Kalben auf ihren Geburtsbetrieb zurück, die anderen Tiere werden für die Fleischproduktion geschlachtet.

To beef or not to beef

Photo de Romain Beuret

Oft hört man die von der FAO veröffentlichte Zahl von 15’000 Litern Wasser, die für die Produktion von 1 kg Rindfleisch benötigt werde. Diese Zahl umfasst jedoch den gesamten Wasserbedarf für die Viehzucht: blaues Wasser (das tatsächlich von den Tieren und zur Bewässerung der Kulturen verbraucht wird), graues Wasser (das zur Reinigung der Abwässer und zum Recycling verwendet wird) und grünes Wasser (Regen). Dabei werden aber die biologischen Kreisläufe nicht berücksichtigt. Das französische Forschungsinstitut INRAE (Institut national de la recherche agronomique) geht seinerseits davon aus, dass auch Regenwasser in den Böden aufgefangen und von den Pflanzen genutzt wird, wobei dies unabhängig vom Tierbestand passiert. Auf dieser Grundlage kommt das Institut für ein Kilogramm Rindfleisch auf einen Wasserbedarf zwischen 550 und 700 Litern. «In der Schweiz, erklärt Romain Beuret, kommt man, ohne den Regen zu zählen, aber unter Berücksichtigung dessen, was das Tier trinkt, der Reinigung des Stalls, des Schlachthofs, des Fahrzeugs usw. auf unseren extensiven Zuchtbetrieben au 100 Liter Wasser für die Produktion von einem Kilogramm Rindfleisch». Weit entfernt von den alarmierenden Zahlen, die den Teufel an die Wand malen! «Ausserdem werden die Süsswasserressourcen geschont, da die Rinder nur wenig Nährstoffe produzieren und keine Pestizide eingesetzt werden.» Nicht zu vergessen, dass der Verzicht auf importiertes Kraftfutter auch soziale und ökologische Probleme im Ausland vermeidet. Was die Treibhausgasemissionen angeht: In Grünlandsystemen wird Kohlenstoff gespeichert, was die Treibhausgasemissionen teilweise ausgleicht. Ausserdem pflegt eine extensive Beweidung die Landschaft und ist vorteilhaft für die Biodiversität.

Milch und Fleisch gehören natürlich zusammen. «Es macht Sinn, sich mehr an den natürlichen Zyklen zu orientieren. Wenn ein System zu sehr angetrieben wird, entsteht ein Ungleichgewicht und es funktioniert nicht mehr», sagt Romain Beuret. Deshalb ist es schade, dass es noch an Absatzmöglichkeiten mangelt, und die Nachfrage an Bio Weide-Beef nicht stärker ist, obwohl diese Art von Fleischproduktion auf unserem Schweizer Grünland besonders nachhaltig ist.

  • Dieser Artikel erschien in der Agricultura-Ausgabe 4/2023. Autorin: Anne Berger

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