In der «Schweiz am Sonntag» schlug Peter Bodenmann Massnahmen für einen produktiven und sozialen Strukturwandel vor. Diese sollen die Zuwanderung bremsen und ein Vorschlag betrifft auch die Landwirtschaft. Laut Bodenmann sollen in Zukunft noch 10’000 landwirtschaftliche Betriebe (heute ca. 56’000) mit durchschinttlich 100 ha die Schweizer Böden bewirtschaften. Die Kleinbauern-Vereinigung bezieht dazu mit einem offenen Brief Stellung.
Sehr geehrter Herr Bodenmann
In der Schweiz am Sonntag schrieben Sie provokant 10‘000 Landwirtschaftsbetriebe könnten locker 1 Mio. Hektaren bewirtschaften. Sie schlagen vor, dass junge Bäuerinnen künftig alte Menschen pflegen und junge Bauern Autos flicken sollen.
Gross ist nicht besser
Gerade im UNO-Jahr der bäuerlichen Familienbetriebe stehen Ihre Aussagen quer in der Landschaft. Zunehmend wird international ein Paradigmenwechsel in der Landwirtschaft gefordert (UNCTAD Jahresbericht 2013, Weltagrarbericht 2008). Mit ausschliesslich grossen Betrieben ist die nachhaltige Lebensmittelproduktion und die Pflege der Landschaft langfristig nicht gewährleistet. Grosse Betriebe spezialisieren sich oft auf wenige Betriebszweige. Sie produzieren kapital- und ressourcenintensiv und wenig standortgerecht. Politische, marktwirtschaftliche oder klimatische Veränderungen treffen solch einseitig ausgerichtete Betriebe oft hart, denn ihre Resilienz haben sie auf Kosten der Spezialisierung aufgegeben.
Für aufwändige Handarbeit bleibt auf maschinenintensiven Grossbetrieben keine Zeit. Es fehlen die nötigen Hände, um beispielsweise steile Wiesen zu mähen und zu rechen. Dies hat negative Folgen für die Artenvielfalt und die landwirtschaftlichen Nutzflächen: Eine reine Weidenutzung dieser Parzellen führt zu einer Reduktion der Artenvielfalt, keine Nutzung fördert in vielen Gebieten die Vergandung. Die Topografie der Schweiz verlangt grosse und kleine Betriebe. Die ideale Betriebsgrösse ist abhängig vom Standort und von den Ideen und Ansprüchen der Betriebsleitenden. Die Idee «Gross ist besser, da effizienter» mag vielleicht für andere Industrien gelten, der bodengebundenen Landwirtschaft aber, welche nachhaltig Lebensmittel produziert und das Kulturland pflegt, sind klare Grenzen gesetzt.
Was die Bevölkerung will
Klare Grenzen sind in der Schweiz auch der Massentierhaltung gesetzt. Bei Mastvieh, Schweinen, Legehennen und Mastgeflügel gelten sogenannte Bestandesobergrenzen. Dies, weil die Schweizer KonsumentInnen keine Massentierhaltung wollen. Viele KonsumentInnen wollen eine regionale, ökologische und tierfreundliche Lebensmittelproduktion. 1996 stimmte die Bevölkerung einem neuen Verfassungsartikel zur Landwirtschaft zu. Die Schweizer Landwirtschaft soll zur sicheren Versorgung der Bevölkerung, zur Erhaltung der natürlichen Lebensgrundlagen und zur Pflege der Kulturlandschaft, sowie zu der dezentralen Besiedelung des Landes einen wesentlichen Beitrag leisten. Diesen Verfassungsauftrag könnten 10‘000 Grossbetriebe nicht im Sinne der Bevölkerung erfüllen. In der Schweiz braucht es also weiterhin viele Hände in der Landwirtschaft. Der Nachwuchs muss gefördert werden und es sollen möglichst viele, sowohl kleine als auch grosse Betriebe, an die kommende Generation übergeben werden können.
Freundliche Grüsse
Séverine Curiger, Geschäftsstelle Kleinbauern-Vereinigung