Wertvolle regionale Verarbeitungsstrukturen

Seit drei Jahren sorgen Marina und Jonas Imfeld dafür, dass die Bäuerinnen und Bauern der Region mit der Müli Geuensee weiterhin eine gut funktionierende Verarbeitungsstruktur nutzen können. Damit die Mühle erhalten und kostendeckend weiterbetrieben werden kann, war ein besonderer Effort nötig. Die Müli Geuensee ist ein Beispiel dafür, wie wichtig gerade für Direktvermarkter solche funktionierenden Verarbeitungsstrukturen sind.

Die Maschinen aus den 1940er Jahren sind noch immer voll einsatzfähig.

Dass sie einmal eine Mühle führen werden, hätten sich Marina und Jonas Imfeld nicht im Traum erdacht. Seit 2020 sind die beiden nun stolze Pächter der Müli Geuensee und des dazugehörigen Bauernhofs. Für Jonas Imfeld war zwar schon länger klar, dass er gerne einen Landwirtschaftsbetrieb übernehmen möchte. Da seine zwei Brüder ebenfalls eine landwirtschaftliche Ausbildung absolviert haben, war jedoch ebenfalls klar, dass nur einer den elterlichen Betrieb übernehmen kann. Jonas Imfeld musste sich anderweitig orientieren. Seine Frau Marina bringt als Fachfrau Betreuung und Absolventin der Bäuerinnenschule ebenfalls die ideale Voraussetzung für das gemeinsame Ziel eines Bauernhofs mit. Als sie die Ausschreibung der Müli Geuensee gesehen haben, wollten sie sich die Chance auf keinen Fall entgehen lassen. In letzter Minute hätten sie sich beworben, so Marina Imfeld. Und das Glück stand auf ihrer Seite und es hat ganz einfach menschlich gepasst. 4,8 ha Land und 2,5 ha Wald gehören zum Landwirtschaftsbetrieb. Dazu die Mühle, die ein sehr wichtiger Betriebszweig ist. Die Herausforderung, aus einem kleinen Betrieb den Lebensunterhalt zu erwirtschaften, hat die beiden nie abgeschreckt. Im Gegenteil, sie stellen sich dieser Aufgabe mit grosser Motivation. Von der Milchwirtschaft mit sieben Milchkühen, die ihre Vorgänger betrieben, haben sie inzwischen auf Mutterschafe umgestellt. Das verschafft ihnen wichtige Zeit für die Mühle und erlaubt etwas eigenen Ackerbau. Hinzu kommt die Pflege der 60 Hochstammbäume. Neben den Engadiner Schafen leben 20 Schweizer Hühner samt Hahn auf dem Hof, beides ProSpecieRara-Rassen.

Verein Molaris als Rückendeckung

«Wir wären nicht hier ohne den Verein», erklärt Jonas Imfeld. Der Verein Molaris wurde 2018 gegründet um den Fortbestand der Mühle und des gesamten Betriebs zu sichern. Der Investitionsbedarf in die denkmalgeschützte Mühle wäre für die junge Bauernfamilie schlicht nicht trag- und finanzierbar gewesen. «Das Pachtverhältnis nimmt uns den Druck weg. Das Weiterbestehen der Mühle hängt so nicht nur an uns.» Mit dieser Rückendeckung haben Imfelds das Abenteuer Hofübernahme gewagt. «Neben dem finanziellen Aspekt ist besonders auch das Netz Marina werk und Wissen der Vereinsmitglieder für uns eine grosse Stütze », erklärt Jonas Imfeld. «Wir geben unser Bestes», formuliert Jonas Imfeld die grosse Motivation. Auch nach drei Jahren hat das Betriebsleiterpaar klare Ziele und viele Ideen, die sie nach und nach umsetzen wollen. Bereits jetzt realisiert haben sie die konsequente Ausrichtung der Mühle auf die ausschliessliche Verarbeitung von Biogetreide. Die Zertifizierung wurde dadurch einfacher. Jonas Imfeld betont dabei: «Wir sind überzeugt von der biologischen Landwirtschaft und einer grossen Vielfalt auf kleinem Raum.»

Mehl, Flocken und Brot im eigenen Hofladen

Aktuell werden in der Mühle jährlich etwa 60 Tonnen Getreide verarbeitet. Je nach Getreide und Endprodukt gehört das Röllen, also Schälen bzw. Entspelzen, Reinigen und Mahlen dazu. Vor allem aus Urdinkel, aber auch Weizen, Emmer, Einkorn, Roggen und Hafer entstehen genussfertige, natürliche Lebensmittel. Die Maschinen stammen hauptsächlich aus den 1940er Jahren. «Sie funktionieren immer noch einwandfrei und liefern eine gute Qualität» bestätigt Jonas Imfeld. Von seinem Vorgänger wurde er sorgfältig in die Arbeiten und die Eigenheiten der Maschinen eingeführt. Das Getreide wird in Lohnarbeit für Direktvermarkter verarbeitet. Einen Teil des Getreides übernehmen Imfelds, um es zu Brot zu verarbeiten oder direkt im eigenen Hofladen anzubieten. Da es im Dorf keine Bäckerei gibt, wird das Brot doppelt geschätzt. Und auch die biologischen Getreideprodukte stossen auf Anklang. Sowohl Privatkundinnen als auch Einkaufskooperativen zählen zur Kundschaft. Die kurzen Wege, das nicht standardisierte, natürliche Endprodukt und die transparente Herkunftsbezeichnung überzeugen.

Kleinverarbeiter sind gefragt

Marina und Jonas Imfeld verarbeiten im Lohn Mengen zwischen 100 kg bis max. 2 Tonnen. Für Direktvermarkter ist das ideal. Da solche regionalen Verarbeitungsstrukturen immer mehr verschwinden, sind die verbliebenen Verarbeitungsbetriebe gefragt. Dies bestätigt Markus Schwegler, Biobauer und Direktvermarkter aus Richenthal, der sein Getreide ebenfalls in die Müli Geuensee bringt: «Für kleinere Mengen ist die Infrastruktur teilweise nicht mehr vorhanden. Diese zu reaktivieren ist mit immensen Kosten verbunden und es braucht auch die geeigneten Personen bzw. das notwendige Wissen dazu.» Selbst die Getreidesammelstellen werden immer weniger. Grund dafür sind die Kosten. «Aufgrund des Effizienzstrebens fehlt es uns heute an flexiblen Strukturen», so Schwegler. Und weil die inländischen Getreidepreise trotz grösserer Nachfrage nicht im Gleichschritt steigen, interessieren sich vermehrt Bäuerinnen und Bauern für die Direktvermarktung. Einer der sich dieselben Überlegungen gemacht hat, ist Peter Zulliger aus Madiswil im Kanton Bern. Mit der von ihm mitgegründeten Regionalmarktplatz AG hat er 2016 eine Getreidesammelstelle reaktiviert und den ehemaligen Landi-Silo übernommen. Dort wird heute das Getreide angenommen, geputzt und entspelzt. Auch für Zulliger ist klar: «Wäre nicht bereits ein Teil der Infrastruktur vorhanden gewesen, wäre das Vorhaben sehr schwierig geworden.» Entscheidend für das Gelingen war auch hier das gute Netzwerk und die Zusammenarbeit. Die benötigten Gebäude und Maschinen konnten alle durch Privatdarlehen gekauft werden. Ausserdem brachte ein pensionierter Mühlebauer sein Wissen ein und half Peter Zulliger unter anderem bei der Anschaffung und Revision einer Flockenmaschine. Bereits etwas länger besitzt Peter Zulliger zudem auf seinem Hof eine Steinmühle. Heute kann er dank der Infrastruktur der Regionalmarktplatz AG und seinen eigenen Maschinen eine komplette Getreideverarbeitung anbieten. Sowohl Zulliger als auch Imfelds können durch ihr grosses Engagement und den Rückhalt eines unterstützenden Netzwerks wichtige regionale Verarbeitungsdienstleistungen anbieten. Diese tragen dazu bei, dass die Lebensmittelversorgung auch morgen möglichst krisenresistent funktioniert.

Erstmals urkundlich erwähnt wurde die Müli Geuensee bereits im 15. Jahrhundert. Ursprünglich wurde die Mühle mit Wasserkraft betrieben. Für eine stetige Wasserzufuhr wurden drei Mühleweiher erstellt. Später und bis Ende der 80er Jahre wurde mit der Wasserkraft eine Turbine für die Stromproduktion betrieben. Inzwischen sind die Wassermengen zu unstet und zu gering für die Stromproduktion. Ein Mühleweiher wurde 2005/06 als Stillgewässer instandgesetzt und soll demnächst wieder saniert werden. Die Weiher bieten wichtige Lebensräume für diverse Tier- und Pflanzenarten. Die Funktion als Wasserspeicher steht heute nicht mehr im Vordergrund.
Zur Mühle gehört ein Bauernhof mit 4,8 ha Land und 2,5 ha Wald. Marina und Jonas Imfeld bieten auch Führungen durch die denkmalgeschützte Mühle an. Eine Nachfolgeregelung der Müli Geuensee wurde 2020 mit Unterstützung des speziell für den Erhalt und erfolgreichen Weiterbetrieb der Mühle und Bauernbetrieb Geuensee gegründeten Vereins Molaris gefunden. Ziel des Vereins ist es, die Mühle weiterzubetreiben und nicht zu einem Museum werden zu lassen. Der Verein besteht aus interessierten Konsumenten und Produzentinnen, welche in der Mühle ihr Getreide verarbeiten lassen. Die Nachfolgeregelung kam dank der Vermittlungsarbeit der Anlaufstelle für die ausserfamiliäre Hofübergabe der Kleinbauern-Vereinigung zustande.
  • Dieser Artikel erschien in der Agricultura-Ausgabe 1/2023. Autorin: Barbara Küttel

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