Altes Handwerk innovativ in Wert gesetzt

Sie ist Metzgerin und das mit Leidenschaft und Innovationsgeist. Mit ihrem puristisch-traditionellen Ansatz hat Tanya Giovanoli in der Fleischveredelung neue Massstäbe gesetzt. Unternehmerische Freiheit und das Vertrauen ihrer Kundschaft sind ihr dabei genauso wichtig wie Respekt vor der Natur und ökologisches Verantwortungsbewusstsein.

Gegen Industrieprodukte aus der Fleischtheke hegt sie eine Abneigung. Nicht nur, weil sie in Plastik verpackt sind. Sondern vor allem auch, weil man das Tier dahinter nicht mehr (er)kennt. Bewusstseinsverdrängung, sagt Tanya Giovanoli. Sie hat einen anderen Ansatz. Ihr geht es um die Wertschätzung der Tiere, um gesunde Lebensmittel, um Nachhaltigkeit. «Nose to Tail» ist bei ihr kein Schlagwort, sondern eine Selbstverständlichkeit. So hat sie es gelernt, zu Hause im Bergell, in der Hofmetzgerei ihres Vaters. Von ihm hat sie auch das Erfolgsrezept, das ihrer Arbeit zu Grunde liegt: So wenig wie möglich eingreifen, die Natur an den Rohstoffen arbeiten lassen. Kombiniert mit ihrem Ideenreichtum und einer grossen Portion Experimentierfreudigkeit hat sie daraus ihr erfolgreiches Unternehmen Meat Design gemacht.

Ökologische Verantwortung

Als gelernte Metzgerin hat sie das Handwerk im Griff. Doch ihre Interpretation dieses Berufs unterscheidet sich grundsätzlich von der heute üblichen Art, ihn auszuüben. Sie «metzget» wie früher, in reiner Handarbeit. Verwertet wird das ganze Tier, aus Respekt vor der Natur. Sie verwendet Himalayasalz statt Konservierungsmittel. Verzichtet auf Bindemittel und zum Abbinden verwendet sie Hanfschnüre. Die Gewürze mischt sie selbst oder würzt mit Kräutern aus ihrem pestizidfrei bewirtschafteten Garten. Auch zugekauftes Fett ist für Tanya Giovanoli tabu, lieber nimmt sie selbstgemachtes Schmalz. Von früher sind auch viele Rezepte, die sie verwendet resp. wieder aufleben lässt. Den Rest erfindet sie neu. «Für mich war immer klar: Ich mache es so, oder gar nicht.» Zugute kam ihr, dass die Modernisierung auf dem Hof ihrer Eltern nie wirklich Einzug gehalten hatte. Das traditionelle Wissen war noch vorhanden.

Tiere nur aus guter Haltung

Ihre Produkte können nur aus bestem Fleisch entstehen. Das heisst wenn möglich aus der Region, mit kurzen Transportwegen für die Tiere. Das Fleisch für ihre Kreationen bezieht sie von einem Händler. «Vertrauen und gute Zusammenarbeit sind dabei zentral. Ich arbeite nur mit Leuten, die mich und meine Kriterien kennen. Wurden die Tiere schlecht gefüttert und hatten wenig Platz, sehe ich das sofort. Gesunde Ernährung, genug Auslauf, keine präventiven Medikamente und Antibiotika, das ist mir sehr wichtig und auch für die Qualität meiner Produkte zentral.» Auch die Rasse spiele eine Rolle, sagt Tanya Giovanoli. «ProSpecieRara-Rassen oder Alpschwein, das macht einen riesigen Unterschied. Noch ist es jedoch nicht einfach, die Kunden vom gerechtfertigten höheren Preis zu überzeugen.» Auch direkt vom Bauern bezieht sie Fleisch, allerdings nicht allzu häufig, da es zeitaufwändig ist. Es kommt aber vor, dass Bäuerinnen aus der Region sich bei ihr melden mit der Bitte, ihr Fleisch für den Direktverkauf zu verarbeiten. «Sie geben sich mühe, die besten Tiere zu halten. Dann möchten sie diese Wertschöpfung bis zum Ende führen», so Giovanoli.

Freiheit statt Lieferverpflichtungen

Um unabhängig zu bleiben, geht Tanya Giovanoli keine Lieferverpflichtungen ein. Es gibt, was es hat. Daran musste sich ihre Kundschaft zuerst gewöhnen. Brat- und Trockenwürste hat es das ganze Jahr. Von September bis Januar produziert sie vor allem Schinken, Speck oder Trockenfleisch, weil das luftgetrocknet werden muss. «Das Produkt soll im Fokus stehen. Wenn es kein Rindfleisch aus der Region mehr gibt, dann nehme ich beispielsweise Hirsch, weil es davon vielleicht gerade viel gibt.» Hätte sie Lieferverpflichtungen, hätte sie diese Flexibilität nicht mehr. Die unternehmerische Freiheit, mit den Rohstoffen zu arbeiten, die saisonal und regional zur Verfügung stehen, hat für Tanya Giovanoli ebenfalls mit Nachhaltigkeit zu tun. Auch, dass sie die Würste nicht alle vakuumverpackt, oder die unterschiedlichen Grössen ihrer Würste führt immer wieder zu Reklamationen. «Da ich nur Naturdärme verwende, werden die Würste unterschiedlich gross. Das verstehen nicht alle», erzählt Tanya Giovanoli. Es brauche viel Aufklärungsarbeit und die sei zuweilen anstrengend.

Vertrauen als Basis

«Es ist ein grosser Kreis, den wir schliessen müssen», sagt sie. Sie spricht damit auch die Verantwortung der Produzenten an. «Wir Verarbeitende sind mitverantwortlich, dass die Kunden nicht mehr wissen, wie die Produkte eigentlich aussehen, wie sie schmecken sollten, welcher Aufwand dahintersteckt und was sie deshalb eigentlich kosten.» Bis die Konsumentinnen wieder sensibilisiert sind, braucht es Zeit – und Vertrauen. Viele Kundinnen von Meat Design lassen sich auf Unbekanntes und neue Kreationen nur ein, weil sie grosses Vertrauen in Tanya Giovanolis Fähigkeiten haben. «Mir ist klar, dass ich viel Resonanz habe und auf einer günstigen Welle reite. Das Thema ist gefragt, die Frage Fleisch oder nicht interessiert. Wenn ich einen Beitrag zur Diskussion über Tierhaltung und vernünftigen Fleischkonsum leisten kann, umso besser.»

  • Dieser Artikel erschien in der Agricultura-Ausgabe 1/2023. Autorin: Annemarie Raemy

News und Berichte zum Thema

Mehrwert – wirtschaftlich, für die Umwelt und die Ernährung

Die Fleischproduktion ist schädlich für die Umwelt und das Klima. Während dies für die intensive Massentierhaltung stimmt, ermöglicht die Bio-Rindermast mit Raufutter bis zur Schlachtung – im Alter von gut…

Zeit zu zweit

Früher war es üblich, dass sich Kalb und Mensch die Milch teilten. Heute ist das nicht mehr so. Doch die Mutter-Kalb-Haltung ist kein verklärtes Zurück zu den Anfängen der Milchgewinnung….

Wertvolle Vernetzungsarbeit für mehr Wertschöpfung

Mit der Aktionswoche für nachhaltige Ernährung möchte die Kleinbauern-Vereinigung die direkten Beziehungen zwischen Konsumenten, Bäuerinnen, Verarbeitern, Gastronomie und lokalem Gewerbe stärken. Dieses Ziel verfolgt auch das Netzwerk Schweizer Pärke, Partner…