Gestern Mittwoch, 30. März 2016, hat die Bauernorganisation Uniterre 109‘655 beglaubigte Unterschriften ihrer Initiative „Für Ernährungssouveränität“ bei der Bundeskanzlei eingereicht. Nach den Initiativen des Bauernverbands (Ernährungssicherheit) und der Grünen (Fair Food) ist die Ernährungssouveränitäts-Initiative bereits das dritte Volksbegehren zur landwirtschaftlichen Versorgung, das seit Sommer 2014 eingereicht wurde.
Hier nochmals ein Überblick über alle aktuellen Volksinitiativen und die Haltung der Kleinbauern-Vereinigung:
Initiative für Ernährungssicherheit
Der Schweizer Bauernverband (SBV) fordert mit seiner Ernährungssicherheit-Initiative die Stärkung der inländischen Versorgung und einen besseren Kulturlandschutz. Zudem soll der administrative Aufwand abgeschwächt und eine «angemessene Investitionssicherheit» geschaffen werden. Konkreter wird der Initiativtext jedoch nicht. Praktisch alle, in der Initiative aufgeführten Punkte sind jedoch auf Verfassungs- und Gesetzesebene bereits vorhanden. Somit bringt die Initiative keinen Zusatznutzen, sondern führt hingegen zu Verwirrung und Unsicherheit, was der Schweizer Bauernverband mit der Vorlage genau bezweckt. Zudem ist sie unehrlich, da beim angestrebten Selbstversorgungsgrad die Futtermittel- sowie weitere Ressourcenimporte verschwiegen werden.
Die Initiative findet besonders im konservativen Lager, das sich in den letzten Jahren vehement gegen mehr Markt und Ökologie in der Direktzahlungspraxis gewehrt hatte, breite Unterstützung. Somit steht der Verdacht im Raum, dass die SBV-Initiative vor allem eine Produktionsintensivierung sowie Korrektur der Ökologie-Reformen anstrebt. Die Kleinbauern-Vereinigung lehnt die Ernährungssicherheits-Initiative deshalb ab.
Fair-Food-Initiative
Die von der Grünen Partei eingereichte Fair-Food-Initiative verlangt Lebensmittel aus einer naturnahen, umwelt- und tierfreundlichen Landwirtschaft mit fairen Arbeitsbedingungen. Um dies sicherzustellen, sollen die hohen Schweizer Standards in Bezug auf Ökologie, Tierwohl und Arbeitsbedingungen auch für importierte Nahrungsmittel gelten. Billige Importprodukte, die auf Kosten von Mensch, Tier oder Umwelt produziert wurden (grossflächige Monokulturen, Massentierhaltung, massiver Einsatz von Agrochemie, Ausbeutung der Angestellten etc.), dürften somit in der Schweiz nicht mehr verkauft werden. Zudem sollen die Verschwendung von Lebensmitteln reduziert und die Transparenz für die Konsumentinnen und Konsumenten verbessert werden. Durch diese Massnahmen entsteht mit der Fair-Food-Initiative ein gerechter Markt für nachhaltig hergestellte Lebensmitteln, von dem Schweizer Produzenten, Konsumenten, die Gesellschaft und die Umwelt gleichermassen profitieren. Die Kleinbauern-Vereinigung ist Teil des Unterstützungskomitees und befürwortet die Fair-Food-Initiative deshalb.
Initiative für Ernährungssouveränität
Das von der Bauernorganisation Uniterre lancierte Volksbegehren verlangt grundsätzlich eine Landwirtschaft, die nachhaltig, regional, einträglich, klimaschonend und gentechfrei ist. Sie nimmt dabei auch Elemente der SBV-Initiative (Versorgung der Bevölkerung mit überwiegend einheimischen Lebensmitteln) und der Fair-Food-Initiative der Grünen (Zölle für importierte Lebensmittel, welche nicht den sozialen und ökologischen Normen der Schweiz entsprechen) auf.
Die Vorlage liefert Inhalte für wichtige Diskussionen, packt aber sehr viele verschiedene Anliegen in eine Initiative. Sie setzt bei der agrarpolitischen Umsetzung stark auf den Staat (z.B. Mengen- und Preissteuerung) und weniger auf die Eigenverantwortung der Bäuerinnen und Bauern sowie der Konsumenten. Eine solche Agrarpolitik ist vor 1995 gescheitert. Bei einer Gesamteinschätzung stellt sich die Frage, wie die einzelnen Punkte gewichtet werden. Bleiben Qualität, Ökologie und Innovation in der Produktion genügend wichtig? Die Kleinbauern-Vereinigung nimmt deshalb eine neutrale Haltung zur Ernährungssouveränitäts-Initiative ein.