«Ich komme nicht aus der Nachhaltigkeitsecke»

Die Regio Challenge findet 2021 zum dritten Mal statt. Wie bereits 2020 beteiligen sich auch dieses Jahr Gastrobetriebe an der Aktion. Die Idee: Während der Aktionswoche bieten sie ein Menü an, das nur aus regionalen Zutaten gekocht wurde. Auch Mirko Buri, der Koch und Foodsave-Pionier aus Köniz, ist wieder dabei.

Kochen gegen die Lebensmittelverschwendung: Mirko Buri.

Seit 2013 hat sich Mirko Buri dem Kampf gegen die Lebensmittelverschwendung in der Gastronomie verschrieben und ist heute einer der bekanntesten Foodsave-Köche der Schweiz. Seine Arbeitsweise passt perfekt zu den Anforderungen der Regio Challenge. Die Produkte in seinem Foodwaste-Restaurant «Mein Küchenchef» in Köniz (BE) stammen alle von Bauernhöfen aus der Umgebung. Dabei handelt es sich um überschüssige Lebensmittel, welche die Bauern, zum Beispiel aufgrund optischer Qualitätskriterien, nicht über andere Kanäle wie den Grosshandel vermarkten können. Mit diesem Ansatz zeigt er der Branche, dass es möglich ist, ressourcenschonend, nachhaltig und regional zu kochen, ohne Einbussen bei der Qualität in Kauf zu nehmen.

Lange hat wenig darauf hingedeutet, dass Mirko Buri diesen Weg einschlagen würde und das Thema Foodwaste ins Zentrum seiner Arbeit rücken wird. Nach einer Lehre als Restaurationsfachmann in der Krone Bätterkinden, einem Haus mit 17 Gault- Millau-Punkten, folgte eine Lehre als Koch im Landhaus Liebefeld. Er wechselte dann zum SV-Service in die Systemgastronomie, nahm oft an Kochwettbewerben teil und wurde Mitglied im Cercle des Chefs de Cuisine Bern. Nach einer Anstellung im Palace in Gstaad und einem Jahr auf Hawaii mit spannenden Einblicken in die lokale Esskultur der Pazifikinsel, leitete er die Küche eines Vier-Sterne-Hotels in Interlaken. Er verfolgte eine Karriere in der traditionellen, französischen Spitzengastronomie.

Ein Film als Wendepunkt

2012 sah Mirko Buri «Taste the Waste», ein Film über Lebensmittelverschwendung. Das hat bei ihm zu einem Umdenken geführt. Der erfolgreiche Küchenchef und Coach war da schon oft als Referent zu kulinarischen Themen unterwegs. Warum nicht das Thema Foodwaste und den Umgang mit Nahrungsmitteln in den Fokus rücken? Denn gerade in der Gastronomie ist der Handlungsbedarf enorm gross, und die Herkunft der Produkte spielt häufig nur eine untergeordnete Rolle. Im «Mein Küchenchef» stehen andere Werte im Zentrum: Mirko Buri arbeitet mit über 40 landwirtschaftlichen Betrieben aus der Region zusammen. Diese melden sich bei ihm und bieten ihre Überschüsse an. Wichtig: Mirko Buri und sein Team nehmen nur den «Abfall», den Teil der Produktion also, der sonst nicht verkauft werden könnte.

Zur Vermeidung von Foodwaste setzt Mirko Buri auf direkte Beziehungen zu den Produzenten und möglichst kurze Lieferwege. So hat er im Lauf der Jahre ein grosses Netzwerk von Lieferantinnen aufgebaut, von denen er seine Produkte beziehen kann. Für Mirko Buri und sein Team steht die Schaffung von regionalen Kreisläufen im Vordergrund. So stammt der Salat häufig aus den Überschüssen der Heilsarmee-Gärtnerei, die vis-à-vis liegt. Für Buri ist klar, dass er zum Beispiel spanische Erdbeeren oder andere Importprodukte nicht vor dem Verderben retten wird. Denn auch in diesem Fall würden diese beim Produzenten als verkauft gemeldet. Da soll besser ganz auf den Import dieser Produkte verzichtet werden. Die Nähe und persönlichen Beziehungen zu den Produzentinnen, die ihm bei seiner Arbeit so wichtig sind, wären auf diese lange Distanznicht möglich.

Eine wichtige Rolle bei der Entstehung von Foodwaste spielen auch Strukturen, oder besser gesagt, die Grösse der Betriebe: Auf kleinen, diversifizierten Höfen kommt es viel seltener zu Foodwaste als auf grossen, spezialisierten Betrieben, wo gleichzeitig viel grössere Mengen des gleichen Produkts anfallen.Die Kontakte gehen längstens über die Lieferung von Produkten hinaus: Praktikantinnen vom «Mein Küchenchef» erhalten einen Einblick in die Nahrungsmittelproduktion auf den Partnerbetrieben und der Koch hilft auch mal auf einem Betrieb mit, wenn bei der Ernte dringend Unterstützung benötigt wird.

Neue Impulse dank der Regio Challenge

Retten, was die Landwirte sonst nicht verkaufen können.

Im Aufbau von Beziehungen sieht Mirko Buri auch den Wert der Regio Challenge. Zwar sei für ihn die Regio Challenge aufgrund seiner Arbeitsweise sehr einfach umzusetzen. Trotzdem stosse er im Rahmen solcher Aktionen immer wieder auf neue Produkte, die er erst durch die intensive Auseinandersetzung mit einem bestimmten Menü kennen lerne. Vor allem aber sieht er in der Regio Challenge ein grosses Sensibilisierungspotential. Zum einen gegenüber den Konsumentinnen und Konsumenten: So könne ihnen bewusster gemacht werden, was alles in der näheren Umgebung vorhanden sei, und zum Beispiel die Milch ohne Probleme an einem Milchauto-maten direkt ab Hof bezogen werden könne. Zum anderen sende die Aktion auch ein Signal an die Gastronomie. Zwar sei ein Trend zu mehr Regionalität und lokalen Produkten feststellbar.

Den Gästen zu erzählen, woher die Produkte kommen, sei wichtiger geworden. Dennoch werde bis jetzt nur an der Oberfläche gekratzt, wenn nur ab und zu ein regionales Produkt verwendet werde, aber die grossen Mengen weiterhin über die konventionellen Kanäle bezogen würden. Er betont auch, dass sich die Gäste leicht in die Irre führen liessen: Wenn zum Beispiel zu einem Menü mit Simmentaler Rind Gemüse aus Spanien serviert werde, bleibe trotzdem häufig der Eindruck eines regionalen Angebots zurück. Trotzdem sieht er nicht nur die Gastronomie in der Verantwortung. Auch für die Produzentinnen und Produzenten sei es häufig einfacher, die ganze Ernte über einen Kanal zu vermarkten. In diesem Punkt seien sich die Gastronomie und die Landwirtschaft sehr ähnlich: Die Nutzung bestehender Kanäle scheint häufig effizienter, die Pflege direkter Kontakte hingegen bedeutet mehr Aufwand.

Wie könnte diese Vernetzung zwischen Landwirtschaft und Gastronomie noch stärker gefördert werden? Für Mirko Buri ist im Moment die Distanz zwischen den beiden Branchen noch viel zu gross. Ihm schwebt ein Produzentenverzeichnis, eine «Essenslandkarte» vor, wo sich Gastronominnen informieren können, welche Betriebe es in ihrer Umgebung gibt und welche Produkte diese anbieten. Das systematische Abklappern der Betriebe in der Umgebung, so wie er es gemacht habe, sei nicht jedermanns Sache. Aus dem ursprünglichen Impuls, etwas zu tun gegen die Lebensmittelverschwendung in der Gastronomie, hat Mirko Buri ein neues Konzept entwickelt, bei dem der direkte Kontakt zwischen Produzentinnen, der Gastrobranche und den Konsumenten ein entscheidender Faktor ist – eine dauerhafte Regio Challenge, sozusagen!

 

Regio Challenge: Essen, was um die Ecke wächst!

Bereits zum dritten Mal führt die Kleinbauern-Vereinigung vom 20. bis 26. September 2021 die Aktionswoche Regio Challenge durch, um auf diese Weise für einen ökologischen und regionalen Konsum zu sensibilisieren.

Die Idee der Regio Challenge ist einfach: Eine Woche lang nur essen und trinken, was in etwa der Entfernung einer Velotour (30 km) entstanden ist. Mit der schweizweiten Aktionswoche will die Kleinbauern-Vereinigung für einen nachhaltigen, regionalen und saisonalen Konsum sensibilisieren. Die diesjährige Regio Challenge findet vom 20. bis 26. September 2021 statt.

Wer an der Challenge teilnimmt, wird feststellen: Die Woche ist eine Herausforderung! Trotzdem: Es geht dabei nicht um Verzicht, sondern um genussvolle, gesunde und kreative Ernährung. Mit Sicherheit entdecken wir neue Rezepte und neue Perspektiven auf das, was um uns herum wächst… oder eben auch nicht wächst. Mach mit bei der Aktionswoche und entdecke die kulinarische Vielfalt deiner Region!

Weitere Informationen: www.kleinbauern.ch/regiochallenge

 

  • Dieser Artikel erschien in der Agricultura-Ausgabe 3/2021. Autor: Stephan Tschirren

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