Am 23. September stimmt das Schweizer Stimmvolk an der Urne über die Fair-Food-Initiative ab. Für Regina Fuhrer, Präsidentin der Kleinbauern-Vereinigung, ist es an der Zeit, Verantwortung zu übernehmen.
Rund jedes zweite Lebensmittel in der Schweiz wird importiert. Diese eingeführten Produkte werden heute teilweise unter in der Schweiz nicht zulässigen Bedingungen, zum Beispiel einer industriellen Massentierhaltung oder unwürdigen Arbeitsbedingungen, produziert. Mit dem heutigen Handelssystem für Lebensmittel zählt nur ein Kriterium: der Preis. Bei diesen möglichst günstig hergestellten Produkten bleiben jedoch faire Arbeitsbedingungen, Tierwohl und Ökologie auf der Strecke. Das Öko- und Sozialdumping ist ein grosses Problem für unsere natürlichen Ressourcen, die lokale Landwirtschaft und die Ernährungssicherheit. Deshalb braucht es neue Leitplanken für den Handel. Meist werden jedoch nur zwei mögliche Szenarien skizziert: grenzenloser Freihandel oder Abschottung. Beide Extreme sind nicht zukunftsfähig; weder ist es sinnvoll, sich als kleinstrukturierte Landwirtschaft in den internationalen Preiswettbewerb zu stürzen, noch reicht die landwirtschaftliche Fläche für eine vollständige Eigenversorgung. Wir sind auf den Handel mit Lebensmitteln angewiesen.
Es ist Zeit mitzubestimmen was wir importieren und neben dem Preis Anforderungen an Tierwohl, Umweltschutz, Qualität und faire Arbeitsbedingungen zu stellen. Die Fair-Food-Initiative fordert ein Präferenzsystem: Produkte, die mindestens unter den hier geltenden ökologischen und sozialen Standards hergestellt werden, können bevorzugt importiert werden. Konkret soll der Bund Anforderungen an Produktion und Verarbeitung formulieren, Zollkontingente vergeben und Einfuhrzölle abstufen. Mit verbindlichen Zielen wird die Lebensmittelbranche, insbesondere Detailhandel und Importeure, vermehrt in die Pflicht genommen. Denn nicht nur Bauern und Konsumenten sind verantwortlich für faire und ressourcenschonende Lebensmittel, sondern alle Beteiligte entlang der Verarbeitungs- und Wertschöpfungskette. Kritiker sehen in der Initiative eine Bevormundung der Konsumentinnen und Konsumenten. Heute beschränkt sich die Wahlfreiheit jedoch meist auf das Preisschild. Eine echte Auswahl ist aufgrund einer mangelhaften und komplizierten Deklaration oft nicht ernsthaft gegeben. Die Aufgabe der Politik ist es darum, Regeln aufzustellen, damit unser Wirtschaften nicht auf Kosten von Umwelt und Bevölkerung geschieht. Ein «Drauflosproduzieren» ohne faire Standards, sei es im In- oder Ausland, schadet letztendlich uns allen und geht auf Kosten der kommenden Generationen.
Der eigentliche Kernpunkt der Initiative ist die Förderung der Produktion und Verarbeitung regionaler, saisonaler Lebensmittel. Denn Nichts ist ökologischer und frischer als ein Lebensmittel aus der Region. Die Nähe von Produzentinnen und Konsumenten schafft zudem Transparenz und Vertrauen. Lokale Verarbeitung bringt weitere Vorteile; kurze Transportwege und eine grosse Vielfalt an regionalen Spezialitäten, zudem bleibt die Wertschätzung in der Region. Mit der Fair-Food-Initiative erhalten saisonale Lebensmittel aus der Region im Vergleich zur globalen Agroindustrie einen Marktvorteil.
Ausserdem erhält der Bund durch die Initiative den Auftrag, Massnahmen zur Eindämmung der Lebensmittelverluste zu ergreifen. Denn jedes dritte Lebensmittel landet in der Schweiz im Abfall. Diese Verschwendung findet auf allen Stufen statt; von der Landwirtschaft, über Verarbeitung und Handel bis zu den Haushalten. Studien zufolge wirft jeder Haushalt jährlich Lebensmittel im Wert von 2’000.- Franken weg. Eine Verschwendung wertvoller Nahrung und Geld. Ein grosser Teil lässt sich durch Prozessoptimierung vermeiden. Je näher sich Anbau und Konsum stehen und je besser informiert der Konsument ist, desto kleiner sind die Verluste. Wieder sind saisonale und regional hergestellte Produkte ein Teil der Lösung.
Die Kleinbauern-Vereinigung setzt sich als Bauern- und Konsumentenvereinigung seit fast 40 Jahren für eine vielfältige, ökologische und konsumentennahe Landwirtschaft ein. Mit einem Ja zur Fair-Food-Initiative am 23. September wird eine vielfältige und soziale Landwirtschaft nicht nur in der Schweiz, sondern auch international gefördert. Denn ein Lebensmittel ist immer mehr als sein Preis.
Autorin: Regina Fuhrer, Bio-Bäuerin und Präsidentin Kleinbauern-Vereinigung