Faire Preise! Aber was heisst das?

Die Frage, was ein fairer Preis ist, kann nicht pauschal für alle Produzentinnen und Produzenten beantwortet werden. Ziel sollte es sein, kostengerechte Preise für eine effiziente und nachhaltige Produktion, aber auch für die Verarbeitung und den Handel zu realisieren. Für den Weg dahin gibt es durchaus Lösungsansätze. 

Mit Hofverarbeitung kann der Preisdruck etwas entschärft werden, der Arbeitsaufwand ist aber beträchtlich und muss bewältigt werden können.

Habe ich für das, was ich gekauft habe, genügend bezahlt? In der Regel ist das nicht die Frage, die wir uns beim Einkauf stellen. Eher fragen wir uns: Habe ich nicht zu viel bezahlt? Eigentlich ist die Sachlage einfach. Man nehme die Herstellungskosten, schlage ei­nen Gewinnanteil darauf und versuche, das Produkt zu entspre­chendem Preis zu verkaufen. Die Nachfrage entscheidet dann, ob das Produkt zu diesem Preis verkauft werden kann und wie hoch der Gewinn ausfällt. Die Ausgangslage bei Lebensmitteln bzw. landwirtschaftlichen Produkten gestaltet sich jedoch um einiges komplexer: So werden die Leistungen der Landwirtschaftsbetriebe nur zum Teil über den Produktepreis abgegolten. Eine besonders ökologische Bewirtschaftungsweise, die Pflege der Kulturlandschaft oder die Sicherstellung der Versorgungssicherheit wird deshalb via Direktzahlungen entschädigt. Zusätzlich werden vom Bund Finanz­hilfen für Investitionen gewährt. Ausserdem gibt es einen Zoll­schutz, der die Nachfrage nach inländischen Produkten entschei­dend beeinflusst. Wer nun denkt, all diese staatliche Unterstützung und Eingriffe nützen nur den Bäuerinnen und Bauern, irrt gewaltig.

Eine ganze Branche profitiert mit

Vorleister, Verarbeiter und Handel profitieren ebenso von den staatlichen Geldern wie die Bäuerinnen und Bauern. Man könn­te es als unausgesprochene Vereinbarung bezeichnen: Die hohen Zahlungen an die Schweizer Landwirtschaft haben unter anderem einen so grossen Rückhalt, weil sich jeder ein Stück des Kuchens nimmt. Das gilt bis zu den Konsumierenden, die ohne diese Land­wirtschaftsstützung nur noch die Wahl zwischen günstigeren ausländischen Produkten und einigen wenigen Hochpreisproduk­ten aus dem Inland hätten. Doch wer sich wie viel nimmt resp. nehmen darf, darüber wird seit langem gestritten, und mit den Bauernprotesten wurde eine neue Eskalationsstufe erreicht.

Neben staatlichen Geldern und Zollbeschränkungen wird mit Richt­preisen der Branche versucht, die Preishöhe zu definieren. Sind die Produkte in genügenden oder zu grossen Mengen vorhanden, sind solche Richtpreise allerdings schnell überholt. Die Abnehmer nutzen ihre Marktmacht. Was nicht nur sprichwörtlich «in der Natur der Sache liegt», zeigt sich beispielsweise beim Obst: Ent­weder gibt es ein gutes Erntejahr, dann fallen die Preise aufgrund der grossen Menge, oder aber es gibt ein geringes Angebot und der Preis ist höher, aber die Bauern und Bäuerinnen verdienen aufgrund der geringen Erntemenge trotzdem zu wenig.

Für faire Märkte und mehr Transparenz setzt sich seit kurzem der Verein Faire Märkte Schweiz FMS ein. Seinen Fokus legt FMS auf ein missbräuchliches Verhalten der marktmächtigen Unter­ nehmen. In der Schweiz liegt diese Marktmacht vor allem bei den beiden orangen Riesen Migros und Coop, aber auch die bäuer­liche Genossenschaft Fenaco gehört dazu.

Kostengerechte Preise

Während die Produzentinnen oftmals einen zu tiefen Preis für ihre Arbeit erhalten, bezahlen die Konsumenten für gewisse Pro­dukte im Verhältnis zu viel. Der Preismonitor von Faire Märkte Schweiz FMS zeigt die Preisrelationen zwischen Produzenten­ und Konsumentenpreisen auf. Das Ausloten der Margen gehört zum heutigen marktwirtschaftlichen Spiel. Problematisch ist je­ doch, dass gemäss den Erkenntnissen von FMS die Margen der Grossverteiler bei besonders ökologisch und tiergerecht herge­stellten Produkten heute teilweise überhöht sind. Dies im Ver­ gleich zu den tiefen Preisen konventioneller Produkte derselben Kategorie. Eine solche Preisgestaltung bewirkt, dass vermehrt auf konventionelle Produkte zurückgegriffen wird, ein Fehlanreiz entsteht. Ebenso problematisch: Das Vertrauen der Konsumen­tinnen, dass sie mit ihrem Griff zum Labelprodukt eine besonders ökologische Landwirtschaft unterstützen, zerfällt. FMS möchte kostengerechte anstelle von kaufkraftgerechten Preisen und da­ mit einen fairen Wettbewerb (s.a. Box / Selfcheck für Bäuerin­nen und Bauern).

Transparenz und Kostenwahrheit

Doch was heisst das für die Praktiker? Sicher ist, dass sich die Bäuerinnen und Bauern noch stärker mit den Preisen und der eigenen Kostenstruktur auseinandersetzen sollten. Während derselbe Preis für den einen Betrieb aufgeht, funktioniert dieser für den anderen nicht, weil beispielsweise höhere Investitionen getätigt wurden. Generell entschärfen Direktvermarktung oder Hofverarbeitung den Preisdruck etwas, beide sind aber auch mit grossem Zusatzaufwand verbunden.

Wird an den Grosshandel geliefert, spielen Produzentenverbän­de und Branchenorganisationen eine wichtige Rolle. Eine teil­weise einseitige Marktmacht zeigt sich auch innerhalb ebendie­ser Branchenverbände, wo die Produzenten ihre Interessen oft nur ungenügend durchsetzen können. Und trotzdem ist die Ab­sicht, dass Produzenten, Verarbeiter und Handel an einen Tisch sitzen und gemeinsam die Preise und Abnahmevereinbarungen festlegen, richtig. Mehr Transparenz, nicht nur wie bisher zur Herstellung, sondern auch zu den Kosten über die gesamte Wert­schöpfungskette, kann einen entscheidenden Beitrag leisten, um die Konsumenten abzuholen und von den entsprechenden Pro­dukten zu überzeugen. Leider sehen die Grossverteiler das bis­her (noch) nicht als Chance.

Mit der Offenlegung von Preisanteilen wird eine erste Annähe­rung in Richtung Kostenwahrheit gemacht. Eine Umsetzung der Kostenwahrheit bedeutet, dass diejenigen Produkte, die gut für Umwelt und Gesundheit sind, für die Konsumentinnen günsti­ger sein sollten. Dies, weil solche Produkte für die Gesellschaft die geringsten Gesamtkosten verursachen. Wenig verarbeitete Labelprodukte können hier einen entscheidenden Vorteil aus­spielen und würden so preislich attraktiver. Mit dem Einbezug des Gesundheitsaspekts würden zudem jene Produkte im Ver­hältnis günstiger, die besonders gesund sind, ohne die Wahlfrei­heit der Konsumenten einzuschränken. Diese Berechnungen sind nicht einfach und die Methodik steckt noch in der wissen­schaftlichen Erarbeitung. Es wird dazu noch viele Diskussionen benötigen, erste Schritte wie mehr Transparenz oder die Besei­tigung bestehender Fehlanreize können jedoch bereits heute umgesetzt werden.

  • Dieser Artikel erschien in der Agricultura-Ausgabe 2/2024. Autorin: Barbara Küttel

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