Fairer Handel neu gedacht

Wohin fliesst das Geld, das wir für Lebensmittel ausgeben? Und welche Akteure erhalten welches Stück des Kuchens? Läuft es wie gehabt, bestimmt oft die Marktmacht innerhalb der Lieferkette, wer wie viel für seine Produkte erhält. Crowd Container aus Zürich hat einen anderen Ansatz: Trans­parenz und gerechte Preise, die eine ökologische Landwirtschaft ermöglichen. 


Oliven werden auf Sizilien ab Oktober bis Ende Jahr von Hand geerntet. Für einen Liter Extra Vergine Olivenöl braucht es etwa 5–6 kg Oliven. «Auch für die Men­schen, die auf dem Feld arbeiten, ist Transparenz wichtig,» sagt Benjamin Krähenmann von Crowd Container. Fotos: Crowd Container


Es war auf einer Reise nach Südindien, als die Idee von
Crowd Container geboren wurde: Tobias Nordmann, einer der Gründer, war in Kerala unterwegs, als er Waldgärten entdeckte. Dort wur­den in einem Agroforstsystem Gewürze angebaut. Trotz der Qua­lität war ihre Vermarktung ein Problem. Um an die Exporteure zu verkaufen, braucht es grosse Mengen und standardisierte Produk­te und selbst dann decken die Preise meist kaum die Kosten des Anbaus. Die Frage kam auf, ob es nicht möglich wäre, Produkte zu fairen Preisen aus einer kleinbäuerlichen, innovativen Landwirt­schaft ohne Zwischenhandel an die Kundinnen zu bringen. Ist es, wie das Unternehmen zeigt. 2016 fand der erste Container mit Gewürzen, Cashews und Reis seinen Weg in die Schweiz. Inzwi­schen hat Crowd Container über 472 Tonnen Lebensmittel ausge­liefert – aus Indien, Sizilien, Andalusien, Peru und der Schweiz.
 

Wo alles beginnt: Bottom-Up Pricing 

«Die regenerative Landwirtschaft und damit mehr Sorten­ und Artenvielfalt, gesunde Böden und klimafreundliche Anbaufor­men zu fördern, war ein Grundgedanke des Unternehmens, der uns immer noch umtreibt», erzählt Benjamin Krähenmann von Crowd Container. Ein weiteres Ziel: Mehr Wertschöpfung für die Kleinbäuerinnen und volle Preistransparenz. Mit dem Bottom­-Up Pricing bestimmen die Produzentinnen und Kooperativen, wie viel sie für ihre Arbeit, faire Anstellungsbedingungen der Erntehelfer und die Pro­duktion der Lebensmittel benötigen. «Üblicherweise gibt es Richtpreise aus der Branche, die festlegen, wie viel die Bäuerinnen für ihre Produkte erhalten. Wir fra­gen den Bauern: Was brauchst du, damit du diese Art von Land­wirtschaft betreiben und erhalten kannst?» erklärt Benjamin.

Dann wird kalkuliert. Zu den Kosten für Produktion und Verarbei­tung, die den grössten Teil des Preises ausmachen (2023 waren das durchschnittlich 44 %), kommen die Aufwände für Transport und Logistik. Dieser Anteil machte im Jahr 2023 im Schnitt 27 % aus. Mit dem speziellen Bestellmodell, dem Crowd­ Ordering, wird zu festgelegten Terminen bestellt, dann werden die Waren importiert und verteilt ein ökologisches wie ökonomisches Ar­gument. Der dritte Teil des Endpreises umfasst die Arbeit von Crowd Container wie Kommunikation, Webshop, Sortimentsge­staltung und Lohnkosten. 29 % machte diese im Jahr 2023 aus. «Damit wir selbsttragend sind, brauchen wir 30 % Marge. Da rech­ nen wir für alle Produkte gleich. Wir wollen bei der Preiskalkula­tion und ­-gestaltung eine gewisse Einfachheit, damit die Kun­dinnen es verstehen.» 

Transparenz für alle am Beispiel Sizilien 

Im Onlineshop von Crowd Container gibt es für jedes Produkt eine Aufschlüsselung des Endpreises (s. Grafik unten). «Wir machen die Wertschöpfungskette transparent, damit sowohl die Konsumen­tinnen als auch die Produzenten sehen, wie viel Geld wohin fliesst. Vielen ist nicht bewusst, dass Transparenz auch für die Menschen auf dem Feld und in der Produktion wichtig ist» er­ klärt Benjamin. Nahe dran zu sein, gemeinsame Werte und eine Vertrauensbasis minimieren auch das Risiko missbräuchlicher Geschäftspraktiken. Sind es in der Schweiz vor allem die Klein­bäuerinnen selbst, mit denen Crowd Container im Tagesgeschäft zusammenarbeitet, sind es im Ausland Kooperativen. «Die Stär­ke von Kooperativen ist, dass sie über die Menge und die Verar­beitung der Produkte Werte generieren können, die ein Klein­bauer nicht allein erzeugen kann», so Benjamin. Auf diese Weise bleibt ein grösserer Teil der Wertschöpfung bei den Bäuerinnen und Bauern. 

Zu Vertrauen und Fairness gehört auch, dass Crowd Container die Produzentinnen in schlechten Erntejahren unterstützt, wie das Beispiel Olivenöl zeigt. Im April 2023 war es in Sizilien nass und kalt – viele Blüten haben nicht überlebt. Anschliessend folg­te ein trockener und heisser Sommer. Entsprechend wurden we­niger und kleinere Früchte geerntet. Gestiegene Energiekosten verteuerten zudem die Verarbeitung. Konnte Crowd Container der Kooperative Valdibella den 5l­ Olivenöl­-Kanister aus der Ern­te 2022 für CHF 42 abnehmen, musste Valdibella ihren Anteil für die Ernte 2023 auf CHF 55 erhöhen. Die Produzenten erhalten neu EUR 1.50 statt EUR 0.90 für ein Kilogramm Oliven. Würde in schlechten Erntejahren der Einkaufspreis eingefroren, könnten die Bäuerinnen und Bauern ihre ökologischen und sozialen Stan­dards nicht aufrechterhalten. Damit geht Crowd Container weiter als der gängige faire Handel oder auch das Bio­-Label, allerdings ohne fixen Regelkatalog. 

Und wer bezahlt den Preis? 

«Die Preise unserer Produkte sind hoch», gibt Benjamin zu, als ich ihn darauf anspreche. Er fügt aber sogleich an: «Vielleicht sind die gängigen Preise für Lebensmittel aber auch einfach zu tief. Wir müssen uns überlegen, was ein Lebensmittel kosten soll. Wenn man eine Landwirtschaft betreibt, die Sorge zu Boden und Biodiversität trägt, sind positive Externalitäten mit eingerechnet – im Gegensatz zu konventionell produzierten Lebensmitteln, bei denen negative externe Effekte nicht im Preis abgebildet sind.» Das heisst: Eine Landwirtschaft, welche die Umwelt schont, ver­ursacht weniger Kosten für Dritte und künftige Generationen. «Uns ist klar, dass sich nicht alle solche Produkte leisten können. Doch es gibt viele Leute in der Schweiz, die es könnten», so Benjamin. Für Neukundinnen sei allerdings nach wie vor die Qualität und der Geschmack der Produkte das überzeugende Argument. Und möglicherweise doch auch das Wissen, dass ihr Geld in eine klein­ bäuerliche Landwirtschaft fliesst, die Natur und Menschen Sor­ge trägt – und auch bei diesen ankommt. 

 

So setzt sich der Preis zusammen:

Transparenz vom Feld bis auf den Teller am Beispiel der Value Chain für Olivenöl der Kooperative Valdibella, Sizilien. Die Produzent:innen verkaufen die frischen Oliven für 1.50 Euro pro Kilogramm an die Kooperative.

 

 

  • Dieser Artikel erschien in der Agricultura-Ausgabe 2/2024. Autorin: Annemarie Raemy

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