Sprechen wir von Biodiversität, geht es auch um Lebensräume. Nur wenn diese intakt sind, ist eine grosse Artenvielfalt und genetische Vielfalt möglich. Dies gilt besonders auch in den vom Menschen geschaffenen Agrarlandschaften. Biodiversität und Landwirtschaft können Hand in Hand gehen.
Biodiversitätsförderung: Entscheidend ist das Zusammenspiel zwischen Quantität, Qualität, Vernetzung und Lage der Flächen.
Biodiversität umfasst den Artenreichtum von Tieren, Pflanzen, Pilzen und Mikroorganismen, die genetische Vielfalt innerhalb der verschiedenen Arten, die Vielfalt der Lebensräume sowie die Wechselwirkungen innerhalb und zwischen diesen Ebenen. So erstaunt es nicht, dass Veränderung und Zerstörung von Ökosystemen einer der Hauptgründe für das heutige Artensterben sind. Laut dem Weltbiodiversitätsrat (IPBES) hat der Mensch inzwischen 75 % der Landoberfläche und 66 % der Meeresfläche verändert.
Aktuelle Situation: unbefriedigend
Die Zusammenhänge mögen komplex sein, der Einfluss des Menschen wird jedoch als einer der Hauptgründe für den Biodiversitätsverlust gesehen. Nebst der Rodung von Wäldern, der Zersiedelung oder dem Bau von Infrastruktur ist auch die intensive Landwirtschaft mitschuldig an der Zerstörung von Lebensräumen. Die Beseitigung von Strukturen, die Trockenlegung von Feuchtgebieten, der Einsatz von Pestiziden wie auch die Überdüngung beeinflussen Lebensräume und damit die Vielfalt von Arten und Genen. Eine intakte Agrobiodiversität ist jedoch das Fundament der Ernährungssicherheit, schreibt der SCNAT (2020). Sie ist u. a. zentral für die Bestäubung von Kulturpflanzen, eine natürliche Schädlingsregulation, die Bodenfruchtbarkeit, oder den Wasserhaushalt. 1992 unterzeichnete die Schweiz die internationale Biodiversitätskonvention (CBD). Seit 2012 hat sie eine Strategie Biodiversität. Eine erste Bilanz zum dazugehörenden Aktionsplan durch das BAFU fiel diesen Frühling erstaunlich positiv aus – entgegen wissenschaftlichen Konsenses und ungeachtet dessen, dass der Aktionsplan von Umweltschutzorganisationen bereits 2012 als unzureichend bezeichnet worden war. Mediale Recherchen haben allerdings gezeigt, dass die veröffentlichte Version des Berichts durch das UVEK geschönt wurde. In der offiziellen Version nicht mehr deutlich gesagt wird u.a., dass sich die Biodiversität in der Schweiz in einem unbefriedigenden Zustand befindet und weiter rückläufig ist. Auch die Zusammenhänge zwischen der intensiven Landwirtschaft und dem Verlust von Biodiversität werden nicht mehr erwähnt.
Ein Mosaik für mehr Leben
Studien z. B. von Agroscope (2021) zeigen, dass die landwirtschaftlichen Erträge bereits heute aufgrund des Biodiversitätsverlusts sinken. Mit der Agrarpolitik versucht der Bund die Artenvielfalt zu fördern und Lebensräume zu erhalten. Der Agrarbericht (2023) weist einen Anteil von 19,3 % Biodiversitätsförderflächen (BFF) an der landwirtschaftlichen Nutzfläche aus. Trotzdem konnte der Verlust der biologischen Vielfalt im Kulturland nicht aufgehalten werden, schreibt die Agrarallianz (2024). Entscheidend sei eben nicht allein die Quantität der Biodiversitätsförderflächen, sondern auch deren Qualität, Vernetzung und Lage. Abwechslungsreiche, kleinteilige Agrarstrukturen und der Anbau vielfältiger Kulturpflanzen könnten laut eines Berichts der Universität Göttingen (2021) den Artenreichtum vervielfachen, ohne die landwirtschaftlich genutzte Fläche zu verringern. Es ist Zeit für eine Landwirtschaft, die Produktion und Biodiversität vereint.
Dieser Artikel erschien in der Agricultura-Ausgabe 3/2024. Autorin: Annemarie Raemy