Der total lokale Laden

In Freiburg gibt es neu einen Ort, der zugleich Marktstand, Lebensmittelgeschäft und Bistro ist und nur lokale und biologische Produkte verkauft. Entstanden ist dieses genossenschaftliche Projekt aus der Idee, einen gemeinsamen Vertriebskanal für Produzentinnen, Produzenten und Verarbeitende zu schaffen.

Im Bio26 wird eine breite Palette an lokalen Produkten angeboten: Von Fleisch bis Marmelade über Tofu und Wein…

Am 16. Dezember 2022 öffnete in der Stadt Freiburg ein neuer Laden mit ausschliesslich lokalen Bioprodukten seine Tore. Und dies weniger als zwei Jahre nachdem der Gemüsebauer Urs Gfeller erstmals die Idee dazu hatte: «Für die Konsumenten braucht es einen einfachen Zugang zu den Produkten und es sollte alles am gleichen Ort zu finden sein». Schnell fand er Verbündete für sein Projekt. Vincenzo Abate beispielsweise. Abate stellt schon seit Jahren frische und trockene Teigwaren aus lokalen und alten Getreidesorten her. «Es lag für mich immer schon auf der Hand mit lokalen Produzentinnen zusammen zu arbeiten», erzählt er.

Die Idee

Wie können Produzierende den Vertrieb ihrer Produkte in die eigenen Hände nehmen? Indem sie eine eigene Plattform für regionale und handwerkliche Produkte bieten. Urs Gfeller begann sich also zu vernetzen und bekam viele positive Rückmeldungen. So wurde auch gleich der Verein «Asscociation des Fermes bio réunies» (Verein Vereinter Biobauernhöfe) gegründet. Welches sind die Anforderungen und Bedürfnisse, welche Bedingungen müssen die Produkte erfüllen, welche Kompromisse sind einzugehen? Dies sind nur einige der Fragen, mit welchen sich die Genossenschaft in der Anfangsphase intensiv beschäftigen musste.

Gründung und Interesse

Heute sind Gfeller und Abate beide Gründungsmitglieder von Bio26. Im Dezember 2021 wurde nach ersten Diskussionen mit Produzentinnen ein Entwurf eines Konzeptes an einer Info-Veranstaltung mit potentiellen Kunden organisiert. Die Überraschung war entsprechend gross, als sich, anstelle des erwarteten Dutzend, beinahe 130 neugierige und motivierte Personen vor dem Saal eingefunden hatten. Kurzerhand musste die Veranstaltung aufgrund des Platzmangels nach draussen verschoben werden. «Es gab Austausch, Fragen, und einige machten sich sogar schon Gedanken darüber, welche Produkte im Laden erhältlich sein könnten. Andere wollten wissen, ob sie sich auch freiwillig engagieren könnten. Wir spürten einen Enthusiasmus, welcher uns in diesem Moment in unserem Vorhaben wirklich befeuerte», berichtet Abate.

Autonome Struktur

Nach ersten Gesprächen mit weiteren Interessierten wurde klar, dass der Laden in der Stadt aufgebaut werden soll, nahe an einer Kundschaft, die ein solches Angebot wünscht und schätzt. Der Ort der Produktion sollte den Kanton Freiburg resp. den Bezirk mit der Telefon-Vorwahl 026 umfassen – daher auch der Name. Die Statuten von Bio26 wurden im Januar 2022 verabschiedet. Ziel der Genossenschaft ist es, die Kräfte und Synergien der Mitglieder mit dem Verkauf ihrer Produkte in einer autonomen Struktur zu vereinen. Die Genossenschaft besteht momentan aus rund 50 aktiven Mitgliedern, den Produzentinnen und Verarbeitern. Diese verpflichten sich in einer Charta, die Bio-Richtlinien einzuhalten. Eine weitere Auflage besteht darin, dass die Zutat, welche ein Produkt charakterisiert, von einem der aktiven Mitglieder stammen muss. Fünf Betriebszweige wurden geschaffen: Fleisch und Fisch, Käse und Milchprodukte, Früchte und Gemüse, Brot und Getreide sowie verarbeitete Produkte.

Zusammen arbeiten

Die aktiven Mitglieder stimmen sich untereinander ab, beispielsweise um zu entscheiden, wer wann ein Tier schlachtet. Auch der Anbau der Gemüsekulturen wird unter den Mitgliedern so abgestimmt, dass eine möglichst breite Palette von frischen Produkten im Laden erhältlich ist. Ein gutes Beispiel der Synergien bei Bio26 ist das gleichnamige Bier! Ein Bäcker nahm mit einem Brauer Kontakt auf und suchte unter den Produzierenden von Bio26 eine Hopfenlieferantin. Neben den mit frischen Produkten gefüllten Kühlschränken, Ständen mit Gemüsen und Früchten und Regalen mit unzähligen handwerklich hergestellten Lebensmitteln hat der Laden auch eine Bistroecke, welche zur Kaffeepause oder zu einem Imbiss einlädt.

Neue Verbindungen

Neben dem Atelier, wo Vincenzo Abate sich mit seiner Teigwarenmanufaktur eingerichtet hat, steht eine Profiküche zur Verfügung. Dort entstehen die Angebote fürs Bistro. Zwei Köche sorgen mit den jeweiligen Tagesmenüs dafür, dass unverkäufliche Produkte noch verwertet werden. Auch die aktiven Mitglieder können die Küche mitbenützen, beispielweise um überzählige Tomaten zu Sauce zu verarbeiten. Der Ort erlaubt es aber auch, thematische Abende oder Produktepräsentationen zu organisieren und so den Austausch mit den Konsumentinnen zu fördern. Dieser Austausch war seit Beginn zentral für die Entstehung des Ladens und spielt auch jetzt noch eine grosse Rolle. Denn das Projekt soll sich ständig weiterentwickeln. Die Kooperative wurde auch schon von Institutionen kontaktiert, welche daran interessiert waren mit Bio26 nur einen einzigen Zwischenhändler für ihre Lieferungen zu haben. Urs Gfeller sieht darin eine mögliche Entwicklung:  «Ich denke wir könnten uns ein Projekt mit Produzierenden vorstellen, welche jetzt noch in den Grosshandel liefern, dies aber satt haben und auf eine andere Plattform umsteigen möchten.» Getreu dem Motto der Genossenschaft stammt die Infrastruktur des «lokalen Lokals» unter anderem aus wiederverwendeten Materialien wie alten Gerüstplatten oder aus Beton, welcher von einem Bäcker auf Grundlage von Dinkel kreiert wurde!

Die ordentlichen Mitglieder stellen zudem ihre Fähigkeiten zur Verfügung und übernehmen zum Beispiel Aufgaben in der Kommunikation oder der Verwaltung. Ein grosses Ziel von Bio26 ist, mithilfe des Ladens insgesamt mehr vertreiben und produzieren zu können und auch die Innovation von neuen Produkten zu fördern. Bio26 bietet seinen Produzenten die Sicherheit, dass es diesen Vertriebskanal für ihre Produkte gibt.

Die Genossenschaft setzt damit auf weitaus mehr als nur regionale Kreisläufe. Sie steht mit ihrem Ansatz für ein globales Konzept rund um geteilte Werte, getragen von Produzierenden und Konsumierenden, die sich ihrer Rollen in einem gerechteren und nachhaltigeren Ernährungssystem bewusst sind.

  • Dieser Artikel erschien in der Agricultura-Ausgabe 1/2023. Autorin: Anne Berger

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