«Ich will aktiv etwas gestalten»

Studiert hat er Sozialanthropologie, nun führt er mit seiner Partnerin Martina den «Gmüeser» Bio- und Demeter-Betrieb im aargauischen Hallwil. Vorstandsmitglied Thomas Urech hat nicht nur keinen klassischen Weg in die Landwirtschaft gewählt, er betreibt auch eine etwas andere Landwirtschaft: Mit alten Sorten und Rassen, viel Handarbeit, direkten Lieferwegen und einem offenen Austausch mit den Kundinnen und Kunden.

Fotos: Eve Kohler und Martina Räber

 

Thomas, du hast dich nach deinem Studium für die Landwirtschaft entschieden. Was war der Auslöser?

Es gibt nicht nur einen Auslöser. Zum einen hat mich die Landwirtschaft immer fasziniert, ich arbeite gerne draussen, mit und in der Erde. Und ich wollte aktiv etwas gestalten. Im Studium habe ich mich mit Klimawandel, Migration und sozialen Bewegungen beschäftigt. Mir war bald klar: Vor allem über die Lebensmittelproduktion kann ich in einem kleinen Rahmen direkt Einfluss auf Entwicklungen im Bereich der Ökologie, des Klimawandels und der Biodiversität nehmen.

Wie war für dich der Einstieg in die Landwirtschaft?

Zuerst einmal muss man Land finden, auf dem man Landwirtschaft betreiben kann. Über einen mit meinem Vater befreundeten Landwirten konnten wir 30 Aren Land übernehmen und dieses Land dann über eine Spezialbewilligung des Kantons auch kaufen. Später gab es die Möglichkeit, kleine Parzellen von Bekannten zu übernehmen, um einen Obstgarten für die Baumpatenschaften anzulegen. Um dann den Hof zu pachten und zu bewirtschaften, benötigte ich eine anerkannte Ausbildung, die ich in Form des NELA erwarb. Ohne Beziehungen, etwas Glück verbunden mit zeitlicher Koinzidenz, viel Enthusiasmus, Energie und Zeit ist es mit meiner Herkunft und Geschichte unmöglich, ein Projekt in der Landwirtschaft zu starten.

2022 gibt es den «Gmüeser» seit zehn Jahren – Wie hat sich dein Blick auf die Landwirtschaft in dieser Zeit verändert?

Ich erkenne viel mehr die dem schweizerischen Landwirtschaftssystem immanenten Schwierigkeiten: Soziale Absicherung, ausserfamiliäre Hofübergabe, Ökologie, Tierschutz. Ich war überrascht, wie speziell diese landwirtschaftliche Welt ist. Als Sozialanthropologe kam ich mir manchmal vor wie auf einer Feldforschung: spezielle Buchhaltung, spezielle Steuern, spezielles Arbeitsrecht, spezielles Bodenrecht, immer wieder «Übergangsbestimmungen». Eine eigene Welt. in die es als nicht in die Landwirtschaft «Hineingeborener» nicht immer einfach ist sich zurechtzufinden und die «Codes» richtig zu deuten. Ich mache zurzeit verschiedene Widersprüchlichkeiten aus, die sich vor allem an den Begriffen «Tradition – Wandel» verorten lassen, die aber gerne mit anderen politischen Motiven etikettiert werden wie «Ökologie», «produzierende Landwirtschaft» oder «Ernährungssicherheit».

Und was hat sich auf eurem Betrieb in dieser Zeit verändert?

Sehr vieles. Wir sind mit 30 Aren Gemüsefläche ohne Bauernhof, Label und Direktzahlungen gestartet. Heute pachten und bewirtschaften wir einen Landwirtschaftsbetrieb von 16 Hektaren mit Demeter- und Bio-Label, haben Mutterkühe, und bauen Getreide und Wildobst an.

Ihr seid mit Hühnern gestartet, inzwischen habt ihr auch eine Mutterkuh-Herde. War dies ein bewusster Entscheid für Tiere, oder könntest du dir den Betrieb auch ohne Nutztiere vorstellen?

Dies war ein bewusster Entscheid. Mit der Pacht des Landwirtschaftsbetriebs kam auch eine gewisse Fläche Dauergrünland zum Betrieb, die mit Kühen genutzt werden kann. Auch die Kunstwiesen in der Fruchtfolge können von unserem Rätischen Grauvieh gefressen werden. Die Kühe wiederum liefern uns im Sinne eines hofeigenen Nährstoffkreislaufes wertvollen Dünger in Form von Mist und Gülle. Da ich selbst Vegetarier bin ist mir der wesensgerechte Umgang mit unseren Kühen sehr wichtig. Ich sehe es als grosse ethische Verantwortung Nutztiere zu halten und möchte mich dieser bewusst auch stellen. Trotzdem kann ich mir einen Betrieb ohne Nutztiere durchaus vorstellen. Nährstoffe lassen sich auch über den richtigen Einsatz von Gründüngungen und Kompost genügend bereitstellen.

Welche Rolle spielen die Tiere auf eurem Hof?

Sie geben gerade auch im Winter den Arbeitsrhythmus vor. Sie sind Lebewesen, denen wir grosse Achtsamkeit schuldig sind. Daneben sind sie wie oben genannt zentral für die Nährstoffversorgung und aufgrund ihres Wesens in der Lage, Gras in Fleisch umzuwandeln. Wir vermarkten die Ochsen als Fleischmischpakete und versuchen die Kuhkälber zur Aufzucht weiter zu verkaufen.

Mit der Vertragslandwirtschaft, aber auch den Baumpatenschaften, holt ihr die Kundinnen und Kunden nahe an den Betrieb. Weshalb?

Wir produzieren nicht nur des Produzierens wegen, sondern wir möchten etwas herstellen, das die Menschen auch wollen. Dazu müssen die Konsumentinnen und Konsumenten verstehen was wir tun und wie wir es tun. Daneben herrscht zurzeit ein grosses Bedürfnis, mehr über die eigene Nahrung zu erfahren und sich einzubringen. Dafür möchten wir eine Möglichkeit bieten.

Wo siehst du die Vorteile in dieser engen Beziehung zwischen Produzentinnen und Konsumenten? Oder anders gefragt: Gibt es auch Nachteile?

Für mich als Bauer ist es interessanter, befriedigender und finanziell auch sicherer, wenn ich möglichst eng mit meinen Kundinnen und Kunden zusammenarbeiten kann. Letztlich liegt die Schwierigkeit dann vor allem darin zu erkennen, wieviel Aufwand ich für die «Beziehungspflege» aufbringen kann. Und wann es dann auch einfach zu viel ist.

Weshalb engagierst du dich für die Kleinbauern-Vereinigung?

Weil ich mich auch politisch für eine andere Landwirtschaft einsetzen möchte: Sozialer, ökologischer und vielfältiger sollte sie schon sein.

Wo in der Landwirtschaft besteht der grösste Handlungsbedarf?

Ich sehe zwei Schwerpunkte: Einerseits die soziale Absicherung vor allem der Ehefrauen. Andererseits braucht es dringend eine Obergrenze für Direktzahlungen – Oder noch besser: einen Betriebsbeitrag, der nicht von der Fläche abhängig ist, sondern sich aus der Qualität der Leistungen ableitet. Wobei ich Qualität hier als Zukunftsfähigkeit im Sinne einer intakten Umwelt (Wasser, Boden, Luft) und einer Diversität der Strukturen verstehe.

Und wo siehst du den «Gmüeser» in zehn Jahren?

Das ist schwierig vorauszusehen. Wir werden wohl noch stärker mit anderen Betrieben und Menschen zusammenarbeiten, um uns gemeinsam für eine andere Art der Nahrungsmittelproduktion einzusetzen.

 

Thomas Urech hat Sozialanthropologie studiert und ist zusammen mit seiner Partnerin Martina Räber seit 10 Jahren als «Gmüeser» in der Landwirtschaft tätig. Angefangen haben sie mit Gemüsebau auf kleinen Flächen, damals noch zu dritt mit Dominik Bisang. Inzwischen führen sie in Hallwil (AG) einen 16 Hektar grossen Demeter- und Bio-Betrieb mit Mutterkuhherde, Wildobstplantage und Obstgarten. Ihr Gemüse verkaufen sie im Abo sowie am Wochenmarkt in Lenzburg. Einmal jährlich gibt es Mischpakete vom Rätischen Grauvieh zu kaufen, dazu vertreiben sie ihr Wildobst und bieten Baumpatenschaften an.

 

Dieses Interview erschien in der Agricultura-Ausgabe 1/2022. Autorin: Annemarie Raemy

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