Hansruedi Roth ist Gründungsmitglied der Kleinbauern-Vereinigung. Aufgewachsen am Stadtrand von Zürich, bewirtschaftete er während 27 Jahren einen Bergbauernbetrieb in Heiligenschwendi, seit 2007 lebt er auf dem Hof Obere Muolte in Schelten (BE). Mit diesem Interview verabschiedet sich Hansruedi nach 43 Jahren aus dem Vorstand der Kleinbauern-Vereinigung. Die Vision vom Bioland Schweiz ist eine Konstante seines Einsatzes.
Hansruedi, du bist seit vielen Jahren Mitglied im Vorstand der Kleinbauern-Vereinigung. Wann bist du zum ersten Mal mit unserer Organisation in Kontakt gekommen?
Im Sommer 1980 las ich in der Zeitung einen Artikel des Agrarjournalisten Herbert Karch, dass der kämpferische Bauer René Hochuli aus dem aargauischen Reitnau beabsichtige einen Verband zum Schutz der kleinen und mittleren Bauern zu gründen, weil der Bauernverband deren Interessen in keiner Weise vertrete. Ich schrieb Herbert Karch, dass ich diese Gründung gerne unterstützen möchte. Darauf erhielt ich eine Einladung zu einem ersten Treffen im Juli 1980 im Bärensaal in Reitnau. Engagierte Bäuerinnen und Bauern aus der ganzen Schweiz kamen an diese denkwürdige Versammlung. Im folgenden November fand die erste Mitgliederversammlung im grossen Saal des Gasthauses Kettenbrücke in Aarau statt. Eine überwältigende Schar von Besuchern waren angereist, und ich wurde damals in den Vorstand gewählt. Die Gründung der Kleinbauernvereinigung warf hohe Wellen in der Medienlandschaft. Radio, Fernsehen, Zeitungen und Zeitschriften interessierten sich für diese rebellische Oppositionsgruppe, sehr zum Missfallen des Bauernverbandes.
Was waren damals die prägenden Themen in der Landwirtschaftspolitik?
Das Bauern- und Höfesterben wurde endlich zu einem wichtigen Thema. Dazu lag die drohende Milchkontingentierung in der Luft. Ebenso zeichnete sich ein wachsender Druck auf die bäuerliche Landwirtschaft durch forcierte Freihandelsbestrebungen des GATT, der Vorgängerorganisation der heutigen WTO.
Welche Rolle hat die Kleinbauern-Vereinigung bei diesen Veränderungen gespielt?
Wir haben unsere Forderungen im Parlament und beim Bundesrat deponiert, haben uns an Bauerndemonstrationen in Bern und Genf beteiligt. Einmal haben wir sogar ein Fuder Mist vor dem Bundeshauseingang deponiert. 1982 hat die VKMB die erste Kleinbauerninitiative lanciert, die sieben Jahre später mit 49% Ja knapp abgelehnt wurde. Immer wieder haben wir erfolgreich Referenden ergriffen, so zum Beispiel 1995 als wir einen dreifachen Sieg an der Urne feiern konnten. Auch bei der Abstimmung zum Gentech-Moratorium von 2005 war die Kleinbauern-Vereinigung federführend. Diese Abstimmungserfolge bildeten die Grundlage für eine tiefgreifende Korrektur der Landwirtschaftspolitik.
Du bist selbst nicht auf einem Bauernhof aufgewachsen. Wie bist du zur Landwirtschaft gekommen?
Ich bin am Rand der Stadt Zürich am Fuss des Uetliberges aufgewachsen, in einer Genossenschaftssiedlung mit Reiheneinfamilienhäusern. Alle Häuser hatten einen Garten, auf dessen Ertrag die Bewohnerinnen und Bewohner damals angewiesen waren.
Es gab damals im Quartier eine sehr aktive Arbeiterbewegung, die mich stark prägte.
Meine Eltern stammten beide aus der Landwirtschaft. In den Schulferien war ich meistens bei den Grosseltern auf dem Hof und wollte als Bub immer Bauer werden. Später, als selbständiger Architekt, hatte ich etliche Aufträge für Hofsanierungen, und so erwachte wieder mein Bubentraum Bauer zu werden.
Was waren es für Betriebe, die du bewirtschaftet hast? Nach welchen Grundsätzen hast du gearbeitet?
Ich hatte die Gelegenheit das ehemalige Heimwesen meines Grossvaters im Berner Oberland zu erwerben. Vier Hektaren steiles Land und etwas Wald gehörten dazu. Das Haus war zwanzig Jahre lang unbewohnt und ziemlich verwahrlost. Schon bald war es möglich zusätzlich angrenzendes, ebenfalls steiles Pachtland zu übernehmen, so dass der Biohof mit den Jahren zu einem Vollerwerbsbetrieb wurde, mit braunen, behornten Milchkühen, einer kleinen Herde Pro Specie Rara Schafen und etwas Bergackerbau mit Getreide und Kartoffeln. Nach 27 Jahren Aufbauarbeit verpachteten wir den Betrieb an eine junge Familie. Danach zog es mich in den Berner Jura.
Vom Berner Oberland in den Jura. Was waren die grössten Umstellungen, die dieser Wechsel ausgelöst hat?
Die grössten Unterschiede gegenüber dem Berner Oberland waren das rauhe Klima, die längere Winterfütterungszeit, der sechs Wochen spätere Weidebeginn, sowie die viel kargeren Böden. Obwohl beide Betriebe auf 1000 m ü. M. liegen, braucht es hier im Jura doppelt so viel Fläche, um eine Kuh durchzufüttern.
Du bist auch ausgebildeter Architekt. Wie hat dieser Beruf deinen Blick auf die Landwirtschaft beeinflusst? Inwiefern konntest du dein architektonisches Wissen auch als Bauer nutzen?
Mein früherer Beruf als Architekt habe ich nie ganz aufgegeben. Bei meinen eigenen Bauvorhaben, wo ich einen grossen Teil der Arbeiten auch selbst ausführte, kamen mir meine technischen Kenntnisse sehr gelegen und auch bei Planungen und Beratungen für Stallbauten, Renovationen und Restaurierungen waren meine praktischen Kenntnisse aus der Landwirtschaft wertvoll.
Wieder zurück zur Landwirtschaft. Was sind aus deiner Sicht die grössten Herausforderungen, die auf die Landwirtschaft zu kommen?
Die Klimakrise wird zu einer riesigen Herausforderung nicht nur für die Landwirtschaft. Die Rezepte der industriellen Landwirtschaft verschärfen die Probleme, indem die wichtigsten Produktionsgrundlagen, die Bodenfruchtbarkeit und die Biodiversität zerstört werden.
Die gesamte Wirtschaftstätigkeit muss ressourcenschonender und sozialer werden. Dazu müssen wir den unsinnigen Wachstumswahn verlangsamen und schlussendlich beenden.
Du verlässt den Vorstand der Kleinbauern-Vereinigung an der Mitgliederversammlung am 30. April. Was wünschst du der VKMB für die Zukunft?
Ich wünsche der VKMB weiterhin Engagement und Erfolg, geprägt durch Weitsicht, Fantasie, Mut, Hartnäckigkeit und Durchhaltewillen, aber auch Gelassenheit und viel Humor. Häbet Sorg zunenand!
Vielen Dank für dein grosses Engagement!