Mit Herzblut und Durchhaltewillen zum Erfolg

Seit über vier Jahren begleitet die Kleinbauern-Vereinigung das Pilotprojekt von Biobäuerin Margrit Abderhalden. Die Idee: Rund um die Uhr handgefertigte Produkte beim kleinsten Hofladen der Stadt einkaufen. 2023 startet der Alpomat nun ins erste Jahr regulären Betrieb. Zeit für eine Bilanz.

Direktvermarktung ist für viele Bäuerinnen und Bauern ein wichtiges Standbein, denn sie hat viele Vorteile: Produzentinnen erhalten faire Preise und mehr Wertschätzung für ihre Arbeit. Konsumenten auf der anderen Seite bekommen Produkte so frisch und lokal wie möglich. Obwohl immer mehr Betriebe Direktvermarktung betreiben, bleibt diese eine Nische und macht gemäss Schätzungen vom Schweizer Bauernverband nur etwa 5 % des Gesamtmarktes in der Schweiz aus. Wie könnten mehr Bäuerinnen und auch Konsumenten von Direktvermarktung profitieren? Als sich die Kleinbauern-Vereinigung im Rahmen einer Arbeitsgruppe mit diesem Thema zu befassen begann, wurde schnell klar: Es braucht neue Vertriebswege!

Mehr Wertschätzung für Hofprodukte

«Unsere Produkte, in denen viel Arbeit und Herzblut steckt, müssen neue Kundschaft finden.» Diese Überlegung machten sich Margrit und Ueli Abderhalden, als sie 2016 zusammen mit ihren drei Kindern ihr bisheriges Älplerinnen-Leben zugunsten eines eigenen Milchwirtschaftsbetriebs im Zürcher Oberland eintauschten. Verarbeitung und Direktvermarktung lautete also der längerfristige Plan. Für diesen Traum gingen Margrit und Ueli ein grosses Risiko ein und mussten vor allem viel Durchhaltewillen an den Tag legen. Denn als «Zugezogene» – Margrit ist auf einem Biobetrieb im Emmental aufgewachsen, Ueli im Toggenburg – mussten sie sich einen Grossteil ihres Netzwerks neu aufbauen. «Ein Hofladen kam für uns nicht in Frage, da wir abgelegen wohnen.» Die Idee von Hofladen-Automaten mitten in der Stadt hingegen liess Margrit nicht mehr los.

Unterstützung durch Kleinbauern-Vereinigung

Zwei Jahre nach der Hofübernahme ergab sich für Abderhaldens die Chance, die an den Betrieb angrenzende Sennerei Niderhuus, in der Ueli schon zuvor als Käser angestellt war, zu übernehmen. Ueli kümmerte sich fortan um die Sennerei, entwickelte neue Käsesorten und stellte die Käserei 2022 auf Bioproduktion um. Margrit widmete sich gleichzeitig der Direktvermarktung und ihrer Alpomat-Idee. Es entstand eine enge Zusammenarbeit mit der Kleinbauern-Vereinigung, die das Projekt im Rahmen einer vierjährigen Pilotphase unterstützte und begleitete. Im Herbst 2018 wurden in Zürich die ersten Automaten in Betrieb genommen. Seither ist das Netzwerk auf zehn Automaten gewachsen. Fortlaufend wurde die Technik optimiert und das Sortiment ergänzt. 13 Bauernfamilien haben durch den Alpomat inzwischen einen Zusatzverdienst gefunden. Das Projekt stiess bei der Kundschaft in der Stadt überwiegend auf Begeisterung und wurde auch medial viel beachtet und als innovativ wahrgenommen.

Nicht immer einfach

Dennoch, es gab auch Rückschläge. «Es war von Anfang an eine rollende Planung und erforderte viel Flexibilität und Anpassungsfähigkeit», blickt Margrit zurück. Die Kundschaft ist anspruchsvoll: Sie erwartet eine funktionierende Technik, vielfältige Zahlungsmöglichkeiten und eine prompte Antwort, wenn ein Problem auftritt. «Im direkten Kontakt sind die Kundinnen meistens sehr verständnisvoll. Die Anonymität des Automaten erschwert diesen Austausch aber.» Gleichzeitig habe sie immer versucht, sich auf die positiven Rückmeldungen zu fokussieren, die stets klar überwogen. «Die Qualität der Produkte wurde stets geschätzt, das war für mich das Wichtigste.» Jedes Mal eine besondere Freude war für Margrit, wenn Personen, die sie vorher noch nicht kannte, durch den Alpomat auf ihren Hof aufmerksam wurden und seither nicht nur Produkte im Automaten beziehen, sondern auch immer mal wieder für einen Grosseinkauf in Gibswil vorbeischauen.

Rückblick auf die Pilotphase

Wie lässt sich das Potential der Hofladen-Automaten in der Stadt nach vier Jahren Pilotbetrieb einordnen? Fest steht: Ein gut frequentierter Standort mitten in der Stadt ist zwar eine gute Ausgangslage für erfolgreiche Direktvermarktung, aber kein Selbstläufer. Es braucht viel Arbeit und Geduld, damit aus neugierigen Passantinnen auch Stammkundinnen werden. «An einem neuen Standort läuft es in den ersten zwei Wochen immer gut, doch die Krux ist, dass die vielen Erstkäufer auch wiederkommen», beobachtet Margrit. Das Bewusstsein für hochwertige, ökologisch und tierfreundlich hergestellte Produkte wächst zwar insgesamt, aber viele Hoffnungen haben sich – insbesondere nach dem Hoch während der Pandemie – auch relativiert. «Unsere Alpomaten wurden während den ersten Corona-Schliessungen teilweise leergekauft und wir kamen kaum mehr nach mit auffüllen», berichtet Margrit. «Obwohl der Effekt bei den meisten Standorten nur kurz anhielt, hat Corona vielleicht in einigen Wohnquartieren doch geholfen, die Umsätze längerfristig zu steigern, weil viele den Alpomaten erst dann entdeckt haben.»

Schritt für Schritt dem Ziel entgegen

Alles in allem ist Margrit überzeugt, dass sich der unermüdliche Einsatz gelohnt hat. «In kleinen Schritten kommen wir dem Ziel näher, dass wir die Automaten kostendeckend betreiben können. Es braucht einen langen Schnauf, aber ich bin bis heute überzeugt davon, dass uns dies gelingen wird!» Die Zahlen geben Margrit recht: Dank Umplatzierungen an besser frequentierte Standorte und logistischen Optimierungen stiegen die Umsätze Jahr für Jahr. Um das Projekt über die Pilotphase hinaus erfolgreich weiterzuführen, braucht es aber wieder grössere Investitionen. Die Finanzierung der zweiten Phase ist nun dank einem erfolgreichem Crowdfunding im September 2022 gesichert. Seit knapp einem Jahr hat Margrit zudem eine Mitarbeiterin, welche die Logistik in Zürich verantwortet und das Projekt weiter vorantreibt. Dennoch gibt es noch viel zu tun. «Zwei gute neue Standorte, an die wir weniger gut frequentierten Automaten umplatzieren könnten, würden uns aktuell sehr helfen», meint Margrit. Zudem wünscht sie sich, dass die vielen begeisterten Stammkundinnen und -kunden den regionalen Hof- und Alpprodukten treu bleiben und ihrem Umfeld davon erzählen.

  • Dieser Artikel erschien in der Agricultura-Ausgabe 1/2023. Autorin: Patricia Mariani

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