Zugang zu Land im europäischen Vergleich

Jungen Menschen den Zugang zu Land zu erleichtern, gehört zu den Zielen der gemeinsamen Agrarpolitik GAP der Europäischen Union (EU). Doch die Umsetzung ist nicht einfach – auch, weil in vielen Ländern landwirtschaftlicher Boden nicht vor Spekulation geschützt ist. Der Beitrag wirft einen Blick über die Landesgrenzen und stellt Initiativen vor, die sich für das Recht auf Land und natürliche Ressourcen einsetzen. Ein Anliegen, das auch Teil der UNDROP ist.

In Frankreich bringt der Verein Terre de liens Akteure aus der Zivilgesellschaft, der Landwirtschaft und der solidarischen Finanzwirtschaft zusammen, um gemeinsam eine nachhaltige Landwirtschaft zu ermöglichen. Foto: Le Germoir Ambricourt

Die französische Organisation Terre de liens hat 2020 ein Dossier zum Thema des Landzugangs in Europa auf www.accesstoland.eu publiziert. Die folgenden Beispiele dreier europäischer Länder wurden aus diesem Bericht entnommen:

In Frankreich profitieren die Pächter von gesetzlichen Rahmenbedingungen, die die Bäuerinnen dabei unterstützen, ihre landwirtschaftliche Arbeit aufzubauen und diese gleichzeitig auch würdigt: Zeit, Planbarkeit, gedeckelte Bodenpreise und einen Ausgleich für getätigte Investitionen. Die 1960 gegründeten privaten Organisationen SAFER (Sociétés d’aménagement foncier et d’établissement rural) leisten dazu einen Beitrag. Sie arbeiten nicht gewinnorientiert und stehen unter staatlicher Aufsicht – ein Modell, das bisher in der Schweiz nicht möglich ist. Die SAFER haben dazu beigetragen, den Anstieg der Preise für Agrarland und die ungleiche Verteilung von Land zu begrenzen. Damit engagieren sie sich für die Schaffung neuer landwirtschaftlicher Betriebe. Dennoch gelingt es ihnen nicht, den Herausforderungen der massiven Konzentration von landwirtschaftlichen Flächen, der Sicherstellung des Generationenwechsels und der zunehmenden Finanzialisierung des Bodenmarktes wirksam zu begegnen.

In Tschechien arbeiten das Landwirtschafts- und Umweltministerium bei Landfragen zusammen. Da dort der Bodenmarkt nicht reguliert ist, steigen die Preise schnell an. Die Bauern haben daher keine Garantie auf die Verlängerung der Pachtverträge oder Stabilität der Preise. Weil der Marktpreis oft die Mittel der Landwirtinnen übersteigt, hilft ein nationaler Unterstützungs- und Garantiefond, den Erwerb von Agrarland zu finanzieren. Der Fonds stellt Darlehen zur Verfügung, die günstiger sind als jene der Banken, jedoch an viele Konditionen geknüpft sind. Die wichtigste Bedingung ist, das Land vor Spekulation zu schützen: Während der Rückzahlung des Darlehens muss das Land von den Bäuerinnen bewirtschaftet werden.

In Schottland haben gemeinschaftliche Organisationen das Recht, Land auch gegen Weigerung des Eigentümers zu erwerben, wenn es entweder vernachlässigt oder verlassen ist, respektive wenn es das ökologische Wohlergehen der Gemeinschaft beeinträchtigt. Des Weiteren können gemeinschaftliche Organisationen die Kontrolle über öffentliche Vermögenswerte übernehmen, wenn sie nachweisen können, dass sie den Nutzen für die Gemeinschaft im Vergleich zum derzeitigen Gebrauch verbessern können. In der Schweiz ist dies nicht möglich.

Das 1993 in Kraft gesetzte Crofter («Kleinbauern»)-Gesetz garantiert unter anderem faire Pachtpreise, die die Produktionskapazität des Betriebs berücksichtigen. Auch können Kleinbauern bei Beendigung des Pachtvertrags eine Entschädigung für vorgenommene Verbesserungen verlangen. Die Crofter haben überdies das Recht, den Ort ihres Hauses auf der Parzelle und eine angemessene Gartenfläche zu kaufen, unabhängig davon, ob der Grundbesitzer verkaufen will oder nicht.

Vereinsnetzwerk Terre de liens

Terre de liens engagiert sich in Frankreich seit fast 20 Jahren in der Politik und direkt bei den Bauern für Probleme, die mit dem Eigentum an landwirtschaftlichen Flächen zusammenhängen. Diese Bürgerbewegung, die davon überzeugt ist, dass ein anderes Landwirtschafts- und Ernährungsmodell möglich ist, stützt sich auf drei Säulen: regionale Vereine, die die Föderation bilden, der Foncière als solidarische Investitionsstruktur zum Erwerb von Bauernhöfen, sowie der Stiftung, die landwirtschaftliches Bodenvermögen bewahrt und verwaltet. Heute umfasst Terre de liens mehr als 300 Bauernhöfe und 700 Bäuerinnen und Bauern in ganz Frankreich, die von einer Bürgerrechtsbewegung unterstützt werden.

Zu den Bauernhöfen von Terre de liens gehört beispielsweise Le Germoir in Nordfrankreich, ein Komplex bestehend aus landwirtschaftlichen Gebäuden und Geräten, sowie 4 ha Bio-Land. Dieser wird Personen zur Verfügung gestellt, die Bauern werden möchten. Das Zentrum entstand aus der Erkenntnis, dass es Quereinsteigern oft an praktischer Erfahrung mangelt, was es vielen Personen erschwert, an Pachtland zu kommen.

Le Germoir: ein kollektives Multi-Akteurs-Projekt

Le Germoir begleitet die Neulandwirte nach deren Bedürfnisse, stellt rechtliche Betreuung und Produktionsmittel (Material, Land, etc.) zur Verfügung, unterstützt bei der Umsetzung des Projekts, und stellt Verbindung zu anderen landwirtschaftlichen Testgebieten her. Seit der Gründung im Jahr 2005 hat le Germoir 23 Projektträger und 140 Personen unterstützt, die die Landwirtschaft auf unterschiedliche Weise erprobt haben: vom Gemüseanbau über die Schweinezucht bis hin zum Anbau von Erdbeeren oder Färbepflanzen. Flächen des Testgeländes von 1’000 m2 bis 1 ha werden ein Jahr lang kostenlos für Personen zur Verfügung gestellt, die ihren eigenen Arbeitsplatz schaffen und somit vom französischen Staat über die Arbeitslosenkasse finanziell unterstützt werden. Mit Hilfe der Testflächen kann erprobt werden, ob ein Projekt funktioniert, das unter Umständen bereits im ersten Jahr wirtschaftlich nicht tragfähig wäre. Nach einem Jahr wird eine Bilanz der aufgetretenen Schwierigkeiten gezogen, die nicht nur technischer und wirtschaftlicher Natur sind, sondern auch die körperliche Leistungsfähigkeit oder die Motivation betreffen. Auf dieser Grundlage wird entschieden, ob das Projekt um ein weiteres Jahr (bis maximal zwei Jahre) verlängert wird oder nicht.

Das Recht auf Land und natürliche Ressourcen ist Teil des UNDROP: Diese 2018 verabschiedete UN-Erklärung der Rechte von Bäuerinnen ist für Staaten nicht rechtlich bindend, hat aber wie alle Menschenrechtsinstrumente moralische Kraft. Der gleichberechtigte Zugang zu Land findet sich auch im Ziel für nachhaltige Entwicklung (SDG) 2 mit dem Titel „Null Hunger“. Das Thema des Rechts auf Land ist von zentraler Bedeutung, da es die Bereiche soziale, ökologische und klimatische Gerechtigkeit miteinander verbindet. Diese Angelegenheit betrifft uns alle, in der Schweiz ebenso wie weltweit.

  • Dieser Artikel erschien in der Agricultura-Ausgabe 1/2025. Autorin: Anne Berger

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