Gefühle und Erwartungen dürfen kommuniziert werden

Eine Hofübergabe ist ein emotionaler Schritt für beide Seiten. Was braucht es, damit der Generationenwechsel auch zwischenmenschlich klappt? Stefan Moser vom Aufbruchteam und Barbara Eiselen beraten beide Menschen bei der Hofnachfolge. Sie sagen: Gegenseitige Wertschätzung ist zentral. Und es ist ein Prozess, auf den man sich nicht abschliessend vorbereiten kann.

Stefan Moser (links) ist Landwirt und Coach. Er kennt den Generationenwechsel aus eigener Erfahrung und bietet gemeinsam mit Rüedu Schüpbach Beratungen in der Landwirtschaft an. Barbara Eiselen (rechts) ist Agronomin, Bauerntochter und Coach. Sie berät v. a. die jüngere Generation mit dem Ziel, Klarheit zu gewinnen und mit innerer Sicherheit für sich richtige Entscheidungen zu treffen. Foto: Stefanie Felder und Stefanie Daumüller

Stefan Moser und Barbara Eiselen, weshalb ist die Hofnachfolge oft ein so emotionales Thema?

Stefan: Nicht oft, sondern immer. Weil sich alles verändert! Als ältere Generation übergibst du dein Lebenswerk nicht nur, du gibst ab. Natürlich ist es schön, wenn es weitergeht. Doch du übergibst deine Lebensform, deine Identität – und wenn du wegziehst, auch ein Stück Heimat.

Barbara: Bei einer Hofnachfolge übernimmt man nicht nur den sichtbaren Teil wie Tiere, Gebäude und Land, sondern auch den unsichtbaren. Das ist vielen nicht bewusst. Ins Unsichtbare gehören die Emotionen, und die sind noch das Sichtbarste von allem. Wut oder Trauer sind oft die Spitze des Eisberges. Was sich alles darunter verbirgt, ist den Abgebenden häufig selbst nicht bewusst. Gerade in der Landwirtschaft, wo Boden und Tiere oft bereits über Generationen innerfamiliär weitergegeben wurden und Sicherheit bedeuten, ist die eigene Identität stark mit der Scholle verbunden. Der Hof ist das Leben, und das macht es besonders herausfordernd.

Wie wichtig sind denn zwischenmenschliche Aspekte beim Generationenwechsel?

Stefan: Den Treuhänder und den Notar braucht es, damit die Hofübergabe stattfinden kann. Das Zwischenmenschliche braucht es, damit sie gut stattfinden kann. Die junge Generation darf Grenzen setzen und wahren. Die ältere Generation wiederum ist gefordert, ihr Lebenswerk loszulassen – und beides in gegenseitigem Respekt.

Welche Fragen müssen bei einer Hofübergabe geklärt werden?

Barbara: Man kann nicht alle Fragen klären. Aber vor allem die junge Generation muss sich die Frage stellen, was sie wirklich will. Mal übernehmen und schauen, wie es kommt, ist keine gute Idee. Es gibt Bereiche, wo es Klarheit braucht: Zusammenarbeit, Wohnen, Kinderbetreuung, die Nutzung von Garten oder Maschinen. An diesen Fragen manifestieren sich oft tieferliegende Konflikte. Wichtig sind auch symbolische Veränderungen: Die Eltern ziehen aus, man ändert die Rinderrasse oder feiert ein Fest. Wenn Veränderungen im sichtbaren Raum geschehen, können sie auch in den unsichtbaren kommen.

Gibt es aus der Erfahrung emotionale Unterschiede zwischen inner- und ausserfamiliären Hofübergaben?

Stefan: Die Intensität ist anders. Als Abgebender mache ich mir beim innerfamiliären Generationenwechsel mehr Sorgen um die Menschen, da ich sie liebe. Ausserfamiliär ist es eher der Betrieb, der Sorgen macht, z. B. wenn die Bewirtschaftung ändert. Wir vergessen zudem gerne die «weichenden Erben», die Kinder oder, im Falle einer innerfamiliären Hofübergabe, die Geschwister. Auch für sie verändert sich viel.

Barbara: Veränderungen bringen das familiäre Gleichgewicht Durcheinander und stellen Muster in Frage. Innerfamiliäre Hofnachfolgen sind deshalb aus meiner Erfahrung anspruchsvoller und emotional komplizierter als ausserfamiliäre, da bei Letzteren die Muster weniger greifen können.

Und für welche Generation ist die Hofübergabe schwerer?

Stefan: Es sind zwei komplett verschiedene Situationen: Die einen geben ab, die anderen bauen auf. Das tönt trivial, ist es aber nicht. Der Vorteil der Hofabgebenden ist, dass sie auch mal übernommen haben und den Unterschied kennen. Doch die Übergabe ist aus emotionaler Sicht schwieriger als die Übernahme. Veränderungen werden oft als Kritik aufgefasst. Auch Erfolge können wie eine Anklage empfunden werden. Viel läuft oftmals unbewusst ab. Hilfreich kann sein, in gegenseitigem Respekt, sich immer wieder zu reflektieren und seine Bedürfnisse zu kommunizieren.

Welches sind die häufigsten Fallstricke bei einer Hofnachfolge?

Wo finde ich Unterstützung?

Eine Liste mit Beratungspersonen, die bei (ausserfamiliären) Hofnachfolgen beraten, finden Sie bei der Anlaufstelle für ausserfamiliäre Hofübergabe: hofuebergabe.ch/beratung

Barbara: Nicht alles zu regeln, gewisse Fragen auf später zu verschieben oder faule Kompromisse zu machen. Offene Fragen müssen bei der Vertragsausarbeitung geklärt werden. Wenn man wirklich hinschaut, tauchen oft tiefliegende Anliegen oder sogar Ahnenthemen auf.

Stefan: Bis zur Hofübergabe hat die abgebende Generation die volle Verantwortung und entscheidet, wie es läuft. Vom Tag X an fällt das alles weg. Der Hofübergabeprozess endet jedoch nicht mit der effektiven Übergabe. Das ist für beide Seiten eine Herausforderung. Die junge Generation muss den Hof deshalb bewusst in Besitz nehmen. Die Gestaltung vor der Übergabe ist in den Händen der abgebenden Generation, die Gestaltung nach der Übergabe ist in den Händen der übernehmenden Generation.

Emotionale Aspekte haben eine gewisse Unberechenbarkeit. Wie können die involvierten Parteien damit gut umgehen?

Barbara: Wenn man versteht, was in einem Veränderungsprozess passiert, sind auch die Emotionen nicht mehr so schlimm. Sie gehören dazu und sind gesund. Veränderungen beginnen oft mit Widerstand, dann kommt die Angst, da sie viele Unsicherheiten bergen. Viele bleiben dort stecken. Bei einem gesunden Veränderungsprozess hingegen kommt danach die Umsetzungskraft. Auch eine Trauerphase ist wichtig und nötig.

Stefan: Die Emotionen kommen sowieso, manchmal plötzlich und oft nicht dann, wenn man es erwartet. Wer sich mit den bevorstehenden Veränderungen und den damit verbundenen Emotionen befasst, hat grosse Chancen, dass sie nicht so heftig kommen und nicht ewig dauern. Selbstreflexion, Reden und die eigenen Bedürfnisse artikulieren sind wichtige Voraussetzungen dafür.

Was ratet ihr Personen, die am Anfang dieses Prozesses stehen?

Stefan: Eine wichtige Vorbereitung für die abgebende Generation ist es, zurückzuschauen: Was habe ich alles geschafft, worauf bin ich stolz? Das hat auch etwas Schönes. Weiter braucht es ein Bewusstsein für die Erwartungen, mit denen ich übergebe. Und ganz wichtig sind auch Zukunftsperspektiven: Wie wollen wir künftig unseren Alltag verbringen, was machen wir als Paar, und wie wollen wir leben?

Barbara: Die ältere Generation hat die Aufgabe, die junge Generation zu ermächtigen und sie machen zu lassen. Das bedeutet, loszulassen – und sich mit der eigenen Identität auseinander zu setzen. Die Aufgabe der Hofübernehmenden wiederum ist es, Grenzen zu ziehen und gleichzeitig die Eltern oder Hofabgebenden und ihre Arbeit wertzuschätzen, ohne sich unterzuordnen.

Stefan: Für die übernehmende Generation sind Klarheit und eine Vision wichtig. Nur wenn die Wünsche klar sind, Gefühle und Erwartungen kommuniziert und alle Aspekte auf den Tisch kommen, kann darüber gesprochen werden. Wichtig zu wissen ist: Du darfst deinem Gegenüber deine Gedanken und Gefühle zumuten, es kann damit sicher umgehen.

Buchempfehlungen von Stefan Moser

Der Landwirtschaftliche Familienbetrieb, 2017, Ulmer Eugen Verlag
Erfolgreiche Hofübergabe, 2018, Cadmos Verlag

  • Dieser Artikel erschien in der Agricultura-Ausgabe 1/2025. Autorin: Annemarie Raemy

News und Berichte zum Thema

Generationenwechsel: Wenn ein Lebenswerk weitergeht

Rudolf und Margrit Blum sowie Alexis und Catherine Corthay haben den Schritt zum ausserfamiliären Generationenwechsel gewagt. Im Gespräch mit diesen Hofabgebenden und mit Stephan Küttel, Blums Nachfolger, wird deutlich: Hofübergaben…

Gefühle und Erwartungen dürfen kommuniziert werden

Eine Hofübergabe ist ein emotionaler Schritt für beide Seiten. Was braucht es, damit der Generationenwechsel auch zwischenmenschlich klappt? Stefan Moser vom Aufbruchteam und Barbara Eiselen beraten beide Menschen bei der…

Bauernhöfe weitergeben statt auflösen

Wer sich mit ausserfamiliärer Hofübergabe in der Schweiz beschäftigt, kommt um finanzielle, rechtliche und soziale Hürden nicht herum. Der gesetzliche Rahmen schützt einerseits das Landwirtschaftsland vor Spekulation, birgt aber andererseits…